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Berlin: Techno gegen Rechts: Der DJ, mein Vorbild

Ein Backspin, das bedeutet in der DJ-Sprache, eine Platte mit einer ruckartigen Bewegung zurückzudrehen. Das sollte man wissen, wenn man auf eine "No historical backspin"-Party geht.

Ein Backspin, das bedeutet in der DJ-Sprache, eine Platte mit einer ruckartigen Bewegung zurückzudrehen. Das sollte man wissen, wenn man auf eine "No historical backspin"-Party geht. Und, dass die fünfzehn oder zwanzig Mark, die man am Eingang lässt, weder Clubbetreiber noch DJs reich machen, sondern die Amadeu-Antonio-Stiftung, die gar nicht reich genug sein kann. Amadeu Antonio arbeitete im Brandenburgischen. 1990 wurde der Angolaner in Eberswalde von rechtsextremen Jugendlichen ermordet. Er hinterließ eine Frau und vier Kinder. Die Stiftung fördert Einzelpersonen und Gruppen, die sich gegen rechte Gewalt engagieren wie zum Beispiel die Opferhilfe Brandenburg oder das Jugendbüro Soul-of-Schwedt. Bei einer "No historical backspin"-Party kann man auch ein T-Shirt kaufen, auf dem ein Männchen eine Hand am Plattenteller hat und mit der anderen Hand ein Hakenkreuz in die Mülltonne drückt. Techno-DJs gegen Rechts? Das ist, abgesehen von der zehn Jahre alten Compilation "No more ugly Germans", neu.

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Letzten Sommer lag DJ Monika Kruse mit Gregor Wildermann auf einer Wiese. Die Zeitungen, die sie lasen, waren voll von Berichten über fremdenfeindlich motivierte Gewalt. Kruse und Wildermann beschlossen, Flagge zu zeigen, im Kollegenkreis Unterschriften zu sammeln. Die langen Listen veröffentlichten sie in Szenemagazinen wie Partysan oder Raveline. Jetzt gibt es eine Tour der "Techno-Aktivisten gegen Faschismus, Gewalt und Intoleranz", die in der Nacht zu Dienstag im WMF mit so namhaften DJs wie Paul van Dyk, Hardy Hard und Mitja Prinz startete.

"DJs haben eine Vorbildfunktion", meint Monika Kruse. "Deswegen muss man tun, was man kann." Monika Kruse ist ziemlich bescheiden. Keinesfalls will sie im Vordergrund stehen. Ihre neue Platte erscheint in ein paar Wochen, aber mit Promotion habe das alles nichts zu tun, sagt sie nachdrücklich. Gemeinsam mit Gregor Wildermann arbeitet sie aber bereits monatelang an der Tour, hängt am Telefon, organisiert Sponsorengelder, verarbeitet Absagen von Kollegen - alles ehrenamtlich natürlich. Negative Reaktionen hat es reichlich gegeben, groß war die Zahl der anfangs Überschwänglichen, die später absprangen. Oder sich von Anfang an distanzierten. Man muss ja Gesicht zeigen, ohne Geld arbeiten. Frau Kruse sinkt in ihren Parka. "Ein undankbarer Betteljob", sagt sie, strahlt aber dennoch zufrieden, weil sie gerade einen Sponsor gefunden hat, der Geld für eine Viertelmillion Logo-Aufkleber gibt. "No historical backspin" macht auch in Erfurt und Dresden Station, weil Monika Kruse Freunde hat, die von Skins verprügelt wurden und jetzt dankbar sind, dass sie ein bisschen Rückhalt aus der Techno-Szene bekommen. Und, weil dort viele Anhänger der elektronischen Musik wohnen. Und, weil einmal, als Monika Kruse auflegen sollte, fast nur rechte Jugendliche vor der Tür standen.

Dass Techno generell unpolitisch ist, halten Wildermann und Kruse für eine Medien-Inszenierung: "Techno ist ein gemeinsames Gefühl, ein Meeting Point, es findet keine Ausgrenzung statt." Es ist spät geworden und das WMF brechend voll. An der Bar sitzt, umlagert von Menschen, Paul van Dyk. "Ich will Position beziehen", sagt er knapp, und nach einer Pause: "Ich bin Kosmopolit, selbst meistens Ausländer und auf das Wohlwollen der Leute angewiesen." Für das musikalische Programm hat der weltbekannte DJ eine ältere Platte wiedergefunden, auf der Martin Luther Kings berühmte Rede gesampelt ist. "I have a dream" hämmert es wenig später durchs WMF und die ravenden Partygäste schreien wie am Spieß. Das tun sie erfahrungsgemäß immer.

Nach der "No historical backspin"-Tour soll erstmal Schluss sein. "Ich bin ja nicht die Mutter Teresa des Techno", sagt Monika Kruse und grinst. Das ist sie ganz sicher nicht. Aber immerhin hat sie sogar Doktor Motte von der Idee überzeugt. Und wer weiß, vielleicht steht Motte noch dieses Jahr zur Love Parade im Schatten der Siegessäule - mit einem politischen Statement auf der Brust statt einer Muschel am Mund.

Die nächste "No historical backspin"-Party findet am 13. April im Tresor statt. Dann legen unter anderem Monika Kruse, Terence Fixmer und Miss Yetti auf. Über das Projekt kann man mehr erfahren auf der Internetseite: www.nobackspin.de

Esther Kogelboom

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