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Berlin: Tempodrom: Im Höhenrausch

Er ist in den letzten Monaten zu einem Fass ohne Boden geworden: der noch nicht fertig gestellte Neubau des Tempodroms am Anhalter Bahnhof. Die Finanzierungslücke wird immer größer, jetzt fehlen rund 12 Millionen Mark.

Er ist in den letzten Monaten zu einem Fass ohne Boden geworden: der noch nicht fertig gestellte Neubau des Tempodroms am Anhalter Bahnhof. Die Finanzierungslücke wird immer größer, jetzt fehlen rund 12 Millionen Mark. Dabei sind schon Eintrittskarten zu kaufen, Anfang Dezember soll der Europäische Filmpreis verliehen werden, und Verträge für zahlreiche kulturelle Veranstaltungen 2002 sind bereits abgeschlossen.

Zum Thema Newsticker: Aktuelle Meldungen aus Berlin und Brandenburg Der Senat wird finanziell helfen. Ein Konzept der Verwaltung für Stadtentwicklung setzt allerdings eine neue Baukontrolle voraus, auch soll die Verantwortung für die Gesamtinvestition an das Land Berlin übergehen. "Wenn das Tempodrom jetzt fällt, fällt alles", sagte Behördensprecherin Petra Reetz. Mit einer Bauruine "wird die Katastrophe erst richtig groß". An eine Katastrophe wollte niemand denken, als im Mai vorigen Jahres der Grundstein gelegt wurde. Mit einem Drahtseilakt feierte dann in diesem Mai die Stiftung Neues Tempodrom um Chefin Irene Moessinger, Arnulf Rating, Volker Hassemer und Regina Ziegler das Richtfest für die Arena mit 3700 Plätzen. Der Zeltbau, entworfen vom Büro Gerkan, Marg und Partner, sollte 44 Millionen Mark kosten, erst waren 32 Millionen Mark kalkuliert.

Ein Kredit der Landesbank Berlin in Höhe von rund 21,7 Millionen Mark - zum größten Teil vom Land Berlin verbürgt - soll zur Finanzierung beitragen, ferner sechs Millionen Mark Lottomittel. Weitere sechs Millionen Mark, die der Bund für die Aufgabe des alten Tempodrom-Standorts zugunsten des neuen Kanzleramts zahlte, flossen in das Projekt, ebenso 9,8 Millionen Mark aus dem Umweltförderungsprogramm (etwa Solartechnik) der Senatsumweltverwaltung und der EU, sowie rund eine Million Mark privater Sponsorengelder. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung teilte gestern mit, sie sei erstmals am 16. Juli schriftlich von Irene Moessinger auf eine Finanzierungslücke von 8,1 Millionen Mark hingewiesen worden, habe bis dahin nichts mit der Kontrolle des Projekts zu tun gehabt. Die Kostenentwicklung des privaten Bauvorhabens mit Landesmitteln sei Sache der Kredit gebenden Landesbank gewesen. Offenbar hätten Bauleitung und Bauherr die "Dinge vergeigt", die Mehrkosten seien innerhalb kurzer Zeit mit 12,6 Millionen, zwischendurch sogar mit 13,7 Millionen Mark kalkuliert worden.

Die Unterlagen würden jetzt von der Senatsverwaltung geprüft. Die Behörde wies darauf hin, dass die frühere Senatswirtschaftsverwaltung eine 80-prozentige Landesbürgschaft empfohlen hatte. Die Landesbank als Kreditgeberin wollte sich mit dem Hinweis auf "Bankgeheimnis und Kundenschutz" nicht äußern. Der Sprecher der Wirtschaftsverwaltung, Claus Guggenberger, erklärte, Voraussetzung für die Bürgschaft sei eine regelmäßige Baukostenkontrolle gewesen, die "nicht hundertprozentig funktioniert" habe. Man müsse versuchen, das neue Tempodrom "betriebswirtschaftlich positiv" zu entwickeln und dem Land Berlin Einfluss im Stiftungsrat zu geben. Tempodrom-Chefin Irene Moessinger sagte, die Stiftung habe nicht selbst kalkuliert, sondern sich auf Berechnungen renommierter Baufachleute verlassen. Außerdem sei der Bau komplizierter geworden. Mit mehr Einfluss des Landes Berlin im Stiftungsrat könne sie leben. Sie fühle sich vor allem "sehr glücklich", dass sich das Finanzproblem löse.

Christian van Lessen

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