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Berlin: Tempodrom: Neue Vorwürfe wegen Sarrazin-Briefes

Wusste der Senator frühzeitig von der risikoreichen Finanzierung? Grüne gehen mit entsprechendem Schreiben an die Öffentlichkeit

Die Aufarbeitung der Tempodrom-Affäre wird diese Woche noch einmal spannend. Im Ermittlungsverfahren gegen Finanzsenator Thilo Sarrazin, den früheren Senator Peter Strieder und Staatssekretär Volkmar Strauch (alle SPD) erwartet die Staatsanwaltschaft bis zum Wochenende Stellungnahmen der drei. Dann entscheidet sie, ob der Vorwurf der Veruntreuung von Landesgeld für das Tempodrom zu einer Anklage führt. Die Beschuldigten haben die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Die Grünen erhoben gestern neue Vorwürfe gegen den Finanzsenator. Sarrazin soll im Zusammenhang mit der Tempodrom-Finanzierung wissentlich dem Landeshaushalt geschadet haben, ohne dass er dazu vom Parlament befugt war. Das hält ihm der grüne Haushaltspolitiker Oliver Schruoffeneger vor – und belegt den Untreue-Vorwurf mit einem Brief von Sarrazin selbst, den er im November 2002 an Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) schrieb. Darin sieht Sarrazin in zwei teils von ihm unterstützten Millionenhilfen der landeseigenen Investitionsbank IBB im Oktober 2001 und Oktober 2002 ein „erhebliches Haushaltsrisiko“. Das Geld sollte als so genannter Bankbeitrag vom Haushalt abgezogen werden. Solche Zahlungen „müssen künftig ausgeschlossen sein“, folgerte der Senator dann – und distanziert sich damit von seiner eigenen Entscheidung nur wenige Wochen zuvor.

Schruoffeneger wertet das Schreiben als Beweis dafür, dass Sarrazin mit seiner Entscheidung, die Geldspritze der IBB für den überteuerten Veranstaltungsbau zu bewilligen, „vorsätzlich in den vom Parlament beschlossenen Haushalt eingegriffen und diesen an einem wesentlichen Punkt abgeändert hat“. Er sieht sich darin bestätigt, dass beim Tempodrom nicht nur der zurückgetretene Strieder, sondern auch Sarrazin sich der Veruntreuung von Landesgeld schuldig gemacht habe.

Die Finanzverwaltung weist die Vorwürfe zurück. Der Brief des Senators gebe den Wissensstand von November 2002 wieder – „daraus eine Zweckentfremdung für die Zeit davor zu folgern, ist ganz weit hergeholt“, sagte Sarrazins Persönliche Referentin, Claudia Zinke. So sei bei der Entscheidung für die Millionenspritze fürs Tempodrom nicht abzusehen gewesen, in welcher Höhe das Geld auf den Haushalt angerechnet werden würde. Außerdem hatte Sarrazin zum Zeitpunkt der Hilfszahlungen noch die Hoffnung, „das Tempodrom könnte sich fangen – und dadurch die Insolvenz und die Zahlung der Landesbürgschaft verhindert werden“.

Der Kreis der Politiker, die beim Tempodrom-Bau Warnungen vor einem Finanzdebakel ignoriert haben, schließt derweil zunehmend auch die CDU mit ein. So habe auch der frühere Finanzsenator Peter Kurth (CDU) im Jahr 2001 Warnschreiben der Verwaltung erhalten – und dennoch seinen Staatssekretär die Tempodrom-Landesbürgschaft über 12,7 Millionen Euro unterschreiben lassen, sagt Oliver Schruoffeneger. Auch gegen Ex-Staatssekretär Hugo Holzinger ermittelt der Staatsanwalt. Kurth äußert sich wegen des laufenden Verfahrens nicht zu den Vorwürfen. Diese Ermittlungen, wie auch die gegen die Tempodrom-Gründer sowie den Unternehmer Roland Specker, befinden sich erst am Anfang.

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