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Eines von zwölf. Das Containerdorf in Lichtenberg.

©  Kai-Uwe Heinrich

Tempohomes in Berlin: Wie die Geflüchteten im Containerdorf leben

Immer mehr Flüchtlinge wohnen in „Tempohomes“. Ein Besuch in einer der neuen Containersiedlungen in Berlin-Lichtenberg.

An der Eingangstür der temporären Unterkunft in Lichtenberg klebt ein Blatt Papier, darauf steht in großer Schrift „Please close the DOOR !!“ Dahinter befindet sich ein sogenanntes Tempohome, ein Containerdorf, das Flüchtlinge beherbergt. Seit Mitte 2016 sind davon in Berlin zwölf Stück entstanden. Sie sollten die Notunterkünfte der Stadt entlasten, denn viele Flüchtlinge können nicht sofort eine Wohnung finden. Mittlerweile leben in den Tempohomes mehr als 3000 Menschen. Vor einem Monat hat das bislang größte Tempohome am Tempelhofer Feld eröffnet. Es bietet Platz für mehr als 1000 Flüchtlinge. Wie leben Flüchtlinge in so einem Containerdorf?

Das Lichtenberger Tempohome an der Wollenberger Straße wurde im Dezember 2016 fertiggestellt. Die meisten Flüchtlinge mussten nicht weit umziehen: Sie kamen bis dahin in der direkt daneben befindlichen Turnhalle unter. Die Halle steht seither leer und soll eigentlich saniert werden, ungewiss ist nur wann. Der Wechsel war für viele Flüchtlinge ein Fortschritt. Mussten sie sich vorher einen Raum mit 200 Menschen teilen, sind es jetzt nur noch ein bis zwei Zimmernachbarn. An der Umgebung hat sich aber nichts geändert. Das Gelände ist umrahmt von ein paar Wohnhäusern, einem Gewerbegebiet und leer stehenden Plattenbauten. In der DDR wohnten hier vietnamesische Vertragsarbeiter.

Grau an Grau stehen die Container aus Polen da

Jetzt sind es 250 Flüchtlinge. Um die umzäunten 14.000 Quadratmeter betreten zu können, müssen sie ihren Ausweis im Einlasscontainer vorzeigen, nachdem sie die Tür geschlossen haben, offenbart sich eine auf den ersten Blick triste Welt: grau an grau stehen die Container aus Polen da, die Rollläden sind bei den meisten Fenstern runtergeklappt, viele Türen sind verschlossen.

Nicht so bei Leila Auwarei: Es sei ihr unangenehm, dass es so unaufgeräumt in ihrer „Wohnung“ ist, sagt die Afghanin. Ihre Wohnung, das sind drei Container mit insgesamt 45 Quadratmetern. Hier wohnt sie mit ihrem Mann und den drei Kindern. Ein Container mit einer kleinen Küche und einem Badezimmer trennt die beiden Schlafcontainer. Die Zimmer sind spartanisch eingerichtet, in einem stehen drei Betten, im anderen ein Doppelstockbett, in den Regalen stapelt sich Geschirr, der graue Teppichboden ist freigeräumt, an den Wänden liegen Kissen. „Hier essen wir immer“, erzählt Auwarei, in der Küche sei für fünf Personen kein Platz.

„Alles ist besser, als in der Turnhalle zu leben.“

Auf dem Herd köchelt ein Ragout aus Blumenkohl, Kartoffeln, Zwiebeln, Tomaten und Curry. Das sei für die Kinder, die gleich von der Schule kommen. Leila Auwarei, die wie ihr Mann einen Deutschkurs besucht, hat zwei Söhne im Alter von 16 und 13 Jahren. Die Tochter ist zwölf Jahre alt. Alle drei seien im schwierigen Alter, sagt sie. „Eigentlich streiten sie jeden Tag.“ Dennoch fühlt sie sich wohl in ihren Containern: „Alles ist besser, als in der Turnhalle zu leben.“

„Mittlerweile sieht es ein bisschen aus wie ein holländisches Feriendorf“

Neben den Wohncontainern gibt es noch Gemeinschafts- und Verwaltungscontainer. In einem Verwaltungscontainer sitzt Bärbel Behnke. Sie arbeitet für den gemeinnützigen Träger „mitHilfe“, der die Unterkunft seit Mai 2017 betreibt. „Mittlerweile sieht es ein bisschen aus wie ein holländisches Feriendorf“, freut sie sich. Gerade im Sommer sei viel gemeinsam mit den Bewohnern entstanden: Sport- und Grillflächen haben sie gebaut, vor den Containern wachsen kleine Gärten. Dass aber nicht nur alles positiv läuft, und vor manchen Containern sich Müll sammelt und Unkraut wuchert, weiß Behnke auch. „Für viele Flüchtlinge war es anfangs ein Schock, in einen Container zu ziehen“, sagt sie.

Feste für die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls

Viele schieben Frust über ihre unklare Perspektive, zudem haben sie mit schweren Traumatisierungen zu kämpfen. Behnke und ihr Team aus insgesamt elf hauptangestellten und ehrenamtlichen Kräften versuchen den Flüchtlingen bei möglichst vielem zu helfen. Das fängt an bei der Zimmereinteilung. Das Landesamt für Flüchtlinge weist den Tempohomes jeweils Flüchtlinge zu, vor Ort achten die Betreuer darauf, dass diese zumindest in den Zimmern die gleiche Sprache sprechen. Auch der Altersunterschied sollte nicht zu groß sein. Von den 250 Flüchtlingen in Lichtenberg sind laut Behnke ein Drittel Familien, der Rest meistens Männer von 18 bis 30 Jahren. Überwiegend kommen die Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak.

Um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, werden im Tempohome Feste gefeiert. Vor Kurzem eine Weihnachtsfeier, im Juni das Zuckerfest, im März Kurdisches Neujahr. Das öffentliche Leben im Tempohome findet in den Gemeinschaftscontainern statt: Hier können die Kinder spielen, in einem Klassenraum wird Deutsch- Unterricht abgehalten, es gibt einen Nähraum. Doch das Leben im Containerdorf ist zeitlich begrenzt. Bis 2019 steht das Tempohome in Lichtenberg. Bis dahin sollen die meisten Flüchtlinge eine eigene Bleibe gefunden haben. Leila Auwarei sucht mit ihrer Familie schon seit Langem. Bislang erfolglos.

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