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"Little Wood" heißt der temporäre Garten, wo es dank der Ideen des Teams um Ludwig Cramer-Klett üppig grünt und blüht.

© Mike Wolff

Temporärer Garten in Berlin-Mitte: Grüne Welle für gestresste Großstädter

Auf einer Brachfläche in Mitte ist ein temporärer Garten entstanden. Jeder kann sich hier erholen und ein Gefühl für Stadtnatur entwickeln - auf Matratzen, Picknickdecken oder in der Hängematte.

„Oh, eine Hängematte“, ruft eine junge Frau. Sie taucht unter einem tiefhängenden Ast hindurch, lässt sich hineinfallen und streift gleichzeitig die Schuhe ab. Um sie herum herrscht Wildwuchs: Büsche, Bäume, Gräser – und dazwischen Behälter, in denen Gemüse und Kräuter wachsen. Nur von Ferne ist der Verkehr zu hören, der an der urbanen Oase vorbeirauscht.

„Little Wood“, also kleiner Wald, nennt sich das Projekt, das seit dem Wochenende in Mitte zwischen Invaliden- und Ackerstraße öffentlich zugänglich ist. Auf einer Brache, die der Architektengemeinschaft Graft gehört, entstand in den vergangenen Monaten ein temporärer Garten. Noch bis mindestens Ende August können sich Berliner hier eine Auszeit gönnen – auf Matratzen, Picknickdecken oder eben in der Hängematte.

Das Projekt will nicht mit den Prinzessinnengärten konkurrieren

Doch es geht nicht nur um Entspannung: Master-Studenten der Fakultät Urbane Pflanzenökophysiologie an der Humboldt-Uni stellen Garteninstallationen aus – etwa einen Tisch mit eingelassenen Eimern, in denen Kohlrabi, Tomaten, Auberginen und Paprika wuchern. Die Studenten zeigen damit Möglichkeiten des „Urban Farmings“. Daneben sollen Workshops, Barbecues, Vorträge und Filmschauen den Besuchern Themen wie den urbanen Nahrungsanbau näherbringen. „Es ist ein Experiment, das sich mit allen Sinnen mit Fragen der Natur und Urbanität beschäftigt. Wir sind aber jetzt nicht die neuen Prinzessinnengärten“, sagt Ludwig Cramer-Klett, der dieses Experiment gemeinsam mit seiner Kollegin Laura Panchaud organisiert hat.

Beide kommen vom Contemporary Food Lab, das sich als Forum für den Austausch über das Verhältnis zwischen Kultur und Natur versteht. „Die Idee für das Projekt ist erst im Frühjahr entstanden, dabei war uns die Brache aber schon länger aufgefallen“, erzählt Cramer-Klett. Nachdem die Graft-Architekten ihre Zustimmung zur Zwischennutzung gegeben hatten, konnten Cramer-Klett und Panchaud gemeinsam mit den Studenten das Gelände zugänglich machen.

Noch wirkt alles ein wenig unfertig

Unglaublich aufwendig sei es gewesen, die komplett zugewucherte Brache zumindest teilweise von Büschen und Unkraut zu befreien. Und auch jetzt herrscht noch viel Wildwuchs auf dem Gelände, so dass nur einzelne Flächen oder kleine Pfade das Grün durchbrechen. Noch wirkt alles ein wenig unfertig, doch in den kommenden Wochen wird sich „Little Wood“ weiter mit Leben füllen. Bei einem der Workshops soll beispielsweise eine Skulptur entstehen, die zu Fotosynthese fähig ist, kleine Häuser aus Nahrungsmitteln werden die Besucher ebenfalls herstellen. „Sommer-Lebkuchenhäuser“, nennt Organisatorin Panchaud das. Wer sich für die Workshops interessiert, kann sich im Internet informieren und per E-Mail anmelden.

Doch auch für spontane Besucher hält der Garten genug bereit: Am Eingang lädt etwa ein solarbetriebener Kiosk zum Picknicken ein – Körbe und Decken werden gratis zur Verfügung gestellt. Am Sonntag fand zusätzlich ein „Food Exchange Market“ statt, also eine Tauschbörse für Nahrung, die sonst in der Markthalle Neun in Kreuzberg ihr Domizil hat. Hier wurde hausgemachte Erdnussbutter gegen selbstgebackene Brötchen getauscht. Öle, Marmeladen und spanische Teigtaschen wechselten den Besitzer.

Die Macher sehen sich nicht als Moralapostel

Trotz des nachhaltigen Konzepts und grünen Ansatzes wollen die Macher aber „nicht die Moralapostel spielen“, wie Organisator Cramer-Klett sagt „Wir möchten inspirieren und einen Ort bieten, an dem man sich entspannen und eine gute Zeit haben kann.“

Das scheint auch zu gelingen: Susanne aus Prenzlauer Berg, die Frau aus der Hängematte, ist begeistert. „Das ist hier wie ein Mikrokosmos, eine Auszeit vom Alltag in der Stadt“, sagt sie. Die 35-jährige Anne, die direkt um die Ecke in der Ackerstraße wohnt, freut sich, dass sie jetzt einen Garten hat. „Ein vorübergehendes Paradies“, sagt sie und lächelt, während ihre kleine Tochter die Nase tief in einen der Blumentöpfe steckt und mit schwarzem Gesicht wieder auftaucht.

Informationen unter www.littlewoodberlin.org

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