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Finanzsenator Ulrich Nußbaum gerät unter Druck.

© Mike Wolff

Teure Immobiliengeschäfte: Verkaufspanne mit Milliardenrisiko

Die Berliner Immobilien Holding wollte möglichst schnell 77 Grundstücke loswerden, doch das Geschäft könnte für den Landeshaushalt teuer werden. Finanzsenator Nußbaum macht derweil Urlaub und wird vom Parlament zurückgerufen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der voreilige Verkauf von Immobilien aus den Fonds der ehemaligen Bankgesellschaft kann dem Land Berlin schwer auf die Füße fallen. In den nächsten zwei Jahren droht dem Berliner Haushalt eine zusätzliche Belastung von mehreren hundert Millionen Euro. Für den 11. März hat Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) den Aufsichtsrat der Berliner Immobilien Holding (BIH) zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen, auch um den drohenden Schaden zu begrenzen. Momentan macht er allerdings Urlaub.

Noch 2010 beschloss das Aufsichtsgremium, dem Nußbaum vorsteht, unwirtschaftliche Fondsimmobilien in großem Umfang zu verkaufen. Es kam eine Liste von 77 Objekten zusammen, die mehr Geld verbrauchen als sie einnehmen und deshalb „Cash-Fresser“ genannt werden. Einige Wochen später versuchte die Finanzverwaltung, mit einer sogenannten Gesellschafterweisung die Verkaufsaktion zu stoppen. Aber der Brief an die BIH, die alle Risikofonds verwaltet, kam zu spät. Bei der Hälfte der Objekte sind die Verkaufsvorbereitungen in den Fondsgesellschaften so weit gediehen, dass sie nicht mehr rückgängig zu machen sind. Das bestätigte Finanz-Staatssekretär Christian Sundermann am Mittwoch im vertraulich tagenden Vermögensausschuss des Abgeordnetenhauses. Gegenüber dem Tagesspiegel verzichtete die Finanzbehörde auf eine Stellungnahme.

Das große Problem dieser Verkäufe ist: Bei jeder Immobilie müssen Generalmietverträge und andere Mietgarantien abgelöst werden, die den eigentlichen Wert der Grundstücke ausmachen. Diese und andere Einnahme- und Gewinngarantien lockten in den neunziger Jahren zehntausende Privatanleger, Fondsanteile der Bankgesellschaft zu zeichnen. Seit 2002 bürgt das Land Berlin auch für die Mietgarantien – und muss regelmäßig zahlen, denn die echten Mieteinnahmen sind in der Regel viel niedriger als die Prospektzusagen. Und entsprechend bescheiden ist der Verkehrswert der Immobilien.

Das führt dazu, dass bei Verkäufen zu einem niedrigen Preis eine gepfefferte Ausgleichszahlung fällig wird, die zulasten des Landes geht. Bei allen 77 gelisteten Objekten würde die Ablösung der Mietgarantien insgesamt eine Milliarde Euro kosten. Der Finanzverwaltung des Senats ist das offenbar zu spät aufgefallen. Selbst wenn die Hälfte der Verkäufe noch verhindert werden kann, droht ein Haushaltsrisiko in dreistelliger Millionenhöhe. Dilek Kolat, die haushaltspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, dementierte dies am Mittwoch nicht. Es werde finanzielle Belastungen geben. „Aber wir sollten die Kirche im Dorf lassen, nur ein Teil der Immobilien wird verkauft und das nicht von jetzt auf heute.“

Der Grünen-Finanzexperte Jochen Esser sieht die Lage dramatischer. „Das ist skandalös, da brennt haushaltspolitisch die Hütte.“ Er wirft der rot-roten Koalition vor, nach dem gescheiterten Verkauf der BIH keine Strategie für den weiteren Umgang mit den Skandalimmobilien zu haben. Insgesamt geht es um 595 Wohn- und Gewerbeobjekte mit 42 355 Mieteinheiten in 29 geschlossenen Fonds. „Die üben den Blindflug“, sagte Esser.

Finanzsenator Nußbaum nahm an der Diskussion im Vermögensausschuss nicht teil. Er fehlte schon am Dienstag in der Senatssitzung, denn er ist in Urlaub gefahren. Das ist insofern ungewöhnlich, als der Senat laut Terminplanung der Finanzverwaltung am 1. März die Eckwerte für den Doppelhaushalt 2012/13 beschließen sollte. Der wichtige Beschluss wurde um voraussichtlich zwei Wochen verschoben.

Das Berliner Parlament ist weniger nachsichtig. Der Ältestenrat des Abgeordnetenhauses akzeptierte nicht, dass sich Nußbaum auch für die Plenarsitzung am Donnerstag entschuldigen wollte. Der Senator lenkte ein, er wird seinen Urlaub unterbrechen. Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Christian Gaebler warb um Verständnis. „Ein bisschen Privatleben muss sein und wir gehen davon aus, dass Herr Nußbaum seine Amtsgeschäfte ordentlich ausübt.“ Eine Sprecherin der Finanzverwaltung sagte zu dem Thema nur: „Der Senator ist jederzeit präsent.“

Schon mit Blick auf die BIH wird das nötig sein. Am 30. März soll Nußbaum dem Vermögensausschuss ein Konzept für den Umbau des Konzerns zu einem aktiven Immobilienentwickler vorlegen. Derzeit ist das Unternehmen eher in Auflösung begriffen. Die Verträge der Geschäftsführer Werner Hohlbein und Werner Fürnkranz laufen demnächst aus. Der Chef der Tochtergesellschaft Arwobau, Hans-Jürgen Biet, ging Ende 2010. Die interne Kontrollgesellschaft LPFV wird abgewickelt. Der Geschäftsführer der FinTech 21, die den Rückkauf von Fondsanteilen im Auftrag des Landes organisiert, wurde überraschend beurlaubt.

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