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Seit Dienstag kleben 36 seiner Fotografien an der Rückseite der East Side Gallery...

© Doris Spieckermann-Klaas

"The Browse"-Festival in Berlin: Fotografien an der West Side Gallery ausgestellt

Insgesamt 36 Fotografien werden im Rahmen des Fotofestivals "The Browse" auf der Rückseite der East Side Gallery ausgestellt. Damit ist die West Side Gallery in Friedrichshain fertig, aber die Künstler der East Side Gallery haben Bedenken.

Eine der 36 Fotografien, jede neun mal drei Meter groß, die seit Dienstag an der Rückseite der East Side Gallery kleben, sticht heraus: Vor einer meterhohen Betonmauer türmt sich ein gewaltiger Berg aus Schutt und Holzplanken. Er steht lichterloh in Flammen. Hinter einem leeren Einkaufswagen sprühen Funken. In der dunklen Nacht ist kein Mensch zu sehen.

Das Foto, das auf dem „Culpar Way“ in Belfast entstand, ist das einzige des Künstlers Kai Wiedenhöfer, auf dem die Frustration, die das Leben in Grenzgebieten bringt, buchstäblich zu explodieren scheint. Seit 2006 reiste der Berliner Fotograf für das Projekt „Wall on Wall“ in insgesamt acht Grenzgebiete, um das Leben der Bevölkerung an Mauern aus Stahl und Zäunen aus Stacheldraht zu dokumentieren. Egal ob in Bagdad oder in Nordkorea, Wiedenhöfer gelang es dabei, ganz nah an die Abtrennungen ranzukommen und so die gelegentlichen Tumulte und die oft viel gegenwärtigere Stille an Grenzen einzufangen. Im Rahmen des Fotofestivals „The Browse“ werden seine Aufnahmen aus Belfast, dem Westjordanland und dem Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko bis zum 13. September auf der Rückseite der East Side Gallery zu sehen sein. Die Fotos sind plakatiert und lassen sich nach der Ausstellung einfach wieder abziehen. Die Wand soll so nicht beschädigt werden.

Am Mittwoch schlenderten dann die Besucher an den Panoramafotografien vorbei wie an den Gemälden, die seit 1990 den 1,3 Kilometer langen Mauerabschnitt der East Side Gallery zieren. Schulklassen posierten vor den Fotos, liefen ganz nah heran, um jedes Detail zu erkennen. „Ich finde die Fotografien unheimlich toll“, sagte ein Kölner Tourist, der von jedem Bild für zu Hause ein Erinnerungsfoto schoss. „Vor allem diesen Kontrast zwischen den Mauern, die schon lange stehen, wie der in Israel, und den neuen, wie der in Bagdad.“ Drei Schüler aus Manchester posierten vor einer Fotografie aus Belfast. „Man hört täglich die Nachrichten aus Palästina, aber ich wusste nicht viel über unsere Mauer in Großbritannien“, sagt einer von ihnen. „Da wird man schon demütig.“

Die Ausstellung hat allerdings nicht nur Befürworter. „Die East Side Gallery ist ein Dokument. Gegenüber ihrer Geschichte haben wir eine Verpflichtung“, sagt Kani Alavi, Vorsitzender der Künstlerinitiative East Side Gallery. „Jeder soll hier seine Idee verwirklichen können – mit ein bisschen Abstand. Sonst lädt die Ausstellung zur Verschmutzung der Mauer ein.“ Von Wiedenhöfers Bildern ist Alavi begeistert. Allerdings gibt es Probleme mit Dutzenden Männern, die mangels Toiletten gegen die Wand, ob mit oder ohne Bilder, urinieren.

Als Mittwochabend die Ausstellung vom Fotografen und der Kuratorin Adrienne Goehler eröffnet wurde, konnte Letztere die Kritik von Alavi nicht nachvollziehen. „Ich finde es absurd zu behaupten, dass wir den Denkmalschutz gefährden. Die Wand war ja nicht weiß – sie war überall von Sprayern getaggt worden.“

Kalle Harberg

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