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Die Weite des Tempelhofer Feldes ist ideal.

© promo

Theater Anu auf dem Tempelhofer Feld: Im Labyrinth der Lichter

Ab heute bespielt das Theater Anu wieder das Tempelhofer Feld. Bei der Nachtinstallation „Die große Reise“ dürfen Besucher mitspielen – zwischen 3500 Kerzen.

Die Koffer voller Erinnerungen, eine betagte Puppe namens Johanna und kaputte Uhren, die schon lange nicht mehr ticken. Mit Hab und Gut ist die Frau im Lichterlabyrinth gestrandet, mitten auf dem nächtlichen Tempelhofer Feld. Die Gestrandete steckt in einer Sackgasse, will aufbrechen und kommt doch nie los. Aber sie ist nicht allein: Der Vogelfrau will das Fliegen einfach nicht gelingen, die Spiegelfrau versucht Spiegelbilder festzuhalten und der Prinz weigert sich, König zu werden.

Mit der Theaterinstallation „Die Große Reise“ zeigen Bille und Stefan Behr vom Theater Anu Figuren, die einen Traum haben und auf der Suche nach seiner Verwirklichung sind. In einem Labyrinth aus 3500 Kerzen begegnet das Publikum auf dem nächtlichen Flugfeld diesen poetischen Figuren: „Das Labyrinth ist ein Symbol für die Lebensreise“, sagt der 47-jährige Stefan Behr. An zwei langen Wochenenden können sich die Berliner nun durch dieses Labyrinth begeben. Schon in den vergangenen beiden Sommern bespielte das Theater Anu die Tempelhofer Freiheit, damals war „Ovids Traum“ zu sehen.

Seit 2007 in Berlin

Gegründet hat sich das Theater Anu aber, lange bevor es das Tempelhofer Feld vor drei Jahren als Spielort gewann. 1998 gründete der Sozial- und Theaterpädagoge Stefan Behr das Theater im hessischen Heppenheim, seine Frau Bille kam 2004 dazu. Mit ihrem Mann übernimmt die studierte Literatur- und Medienwissenschaftlerin die künstlerische Leitung des Theaters, ist aber auch Darstellerin und Choreografin in den Inszenierungen.

2007 verlegte das Theater dann seinen Hauptsitz nach Berlin. Mit einem Repertoire aus sieben Stücken touren die rund 25 Künstlerinnen und Künstler der Compagnie durch Deutschland, aber auch durch Spanien, Polen, Belgien oder die Niederlande.

Atmosphärische Räume herstellen

Dazu kommen wechselnde Auftragsinszenierungen. So richtete das Theater im vergangenen Sommer auf der Grünfläche des Pankower Thälmannparks den „Performance-Garten Analogia“ ein, der Besucher einlud, über die damals ungewisse Zukunft der einstigen DDR-Siedlung in Dialog zu treten.

Und zum 200. Jahrestag der Grimm’schen Kinder- und Hausmärchen entwarf das Theater Anu den „Schattenwald“, ein Theaterstück, das seine Besucher in den nächtlichen Wald lockt. Immer ist es der öffentliche Raum, in dem das Theater Anu seine poetischen Welten entfaltet.

Die künstlerischen Leiter: Bille und Stefan Behr.
Die künstlerischen Leiter: Bille und Stefan Behr.

© Thilo Rückeis

Dabei kreisen die Inszenierungen von Bille und Stefan Behr um Stadt und Natur, um Licht und Schatten, um Stimmungen und Atmosphären. „Wir wollen atmosphärische Räume herstellen“, sagt Stefan Behr. Die weite Leere des Flugfeldes ist dafür wie gemacht: Der ewige Traum von Aufbruch und Ankunft und dem Dazwischen spiegelt sich auf dem verlassenen Flugfeld wider.

Acht Szenen spielt das Theater

Die Idee zum Stück geht auf das Heldenepos zurück, in welchem der Protagonist zu einem Abenteuer aufbricht und nach bestandener Prüfung in seine Heimat zurückkehrt. Das Epos „Parzival“ sei ein typisches Beispiel für so eine Heldenreise, sagt Stefan Behr. Auch der griechische Held Odysseus kehrte von seinen Irrfahrten schließlich erst Jahrzehnte später zurück.

Und wie für die Figuren des Stücks ist auch für die Besucher das Motiv der Reise bedeutend: Der ein oder andere bekommt einen alten Reisekoffer in die Hand gedrückt und wird mitunter auf Irrwegen in eine Sackgasse geführt. Acht Szenen spielt das Theater, wie Inseln sind sie im Labyrinth installiert. Jede Szene geht sieben bis zwölf Minuten, dann wird sie wiederholt – insgesamt drei Stunden lang.

Besucher müssen nichts, dürfen aber alles

Manche Besucher würden bei dieser Form des Theaters lange bei ihrer Lieblingsszene stehen bleiben, sagt Stefan Behr, andere lassen sich weitertreiben. Ein Narr spielt den Wächter des Theaters: Jede halbe Stunde lässt er neue Besucher eintreten und gibt dabei – halb Weiser, halb Aufschneider – seine Geschichten zum Besten. Und von den Leitern am Rande des Labyrinths aus kann das Publikum aus der Vogelperspektive über das Lichtermeer blicken.

„Darstellende Kunst heißt spielen – im kindlichen Sinne des Wortes“, sagt Bille Behr. Deswegen wollen sie und ihr Mann ein „Theater der Begegnung“. Die Besucher müssen gar nichts, aber dürfen fast alles: mitmachen, applaudieren oder einfach nur zusehen. Bei einer Aufführung der „großen Reise“ in Templin streichelte eine Zuschauerin der Vogelfrau mit einer Feder über die Wange, erzählt Bille Behr lächelnd.

Schon Pläne für das nächste Jahr

Ob die Berliner in eine ähnlich feinfühlige Stimmung versetzt werden? Jedes Publikum ist anders, sagt Bille Behr.

Für das nächste Jahr haben die beiden schon eine Vision: In einer großen Halle in Berlin wollen sie ein Labyrinth aus tausend Baldachinen installieren. Nur die Halle müssen sie noch finden. Und auf dem Tempelhofer Feld soll es sowieso weitergehen: Diese Reise ist ganz bestimmt noch nicht zu Ende.

„Die große Reise“, Tempelhofer Feld, Eingang Columbiadamm, 10965 Berlin. 13. bis 16. und 20. bis 23. August, Einlass halbstündlich zwischen 21.15 und 22.45 Uhr. Die Karten kosten 15 Euro, ermäßigt 13 Euro. Mehr Infos unter www.theater-anu.de

Jana Scholz

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