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Berlin: Theater "Fürst Oblomov" spielt Stefan Zweig bis es wehtut

Es klingt banal, aber der Zuschauer hat nur die Wahl zwischen ja oder nein. Es bedarf schließlich einer gehörigen Portion Selbstaufgabe sich an einem heißen Sommerabend freiwillig in einen eng bestuhlten Theaterraum zu begeben.

Es klingt banal, aber der Zuschauer hat nur die Wahl zwischen ja oder nein. Es bedarf schließlich einer gehörigen Portion Selbstaufgabe sich an einem heißen Sommerabend freiwillig in einen eng bestuhlten Theaterraum zu begeben. So gesehen hat das Stück "Brief einer Unbekannten" von Stefan Zweig (wieder 7. und 8. August, 20 Uhr) eigentlich gar keine Chance. Zumal sich Schauspielerin Monica Gruber trotz Hitze einen dunkelbraunen Wollschal umwirft und das Bühnenbild mit Holzpferd, tickender Wanduhr und Kerzenschimmer den vermeintlichen Charme eines düsteren Herbstabends versprüht. Entschließt sich der Zuschauer dennoch für ein Ja und bleibt im Theater "Fürst Oblomov", wird er nicht enttäuscht. Die gebürtige Wienerin spielt eine in die Jahre gekommenen Frau, die ein Leben lang ihre Liebe zu einem Schriftsteller verborgen hält. Sie nährt sich von der Hoffnung, irgendwann von ihm erkannt zu werden. Zunächst mit der bohrenden Beharrlichkeit einer 13-Jährigen, später mit der aufopfernder Hingabe einer reifen Frau. Gruber spielt die Rolle nicht, sie erlebt sie. Mal hüpft sie barfuß imaginäre Linien nach, mal gibt sie ihrer Leidenschaft mit orgiastischen Tönen Ausdruck. Immer begleitet von dem monotone Ticken der Wanduhr. Es verkündet den unaufhaltsamen Lauf der Zeit, obwohl die Zeiger stehen geblieben sind. Auch sie tritt auf der Stelle. Ihre mädchenhafte Offenheit hat "die Unbekannte" nie abgelegt. Vielleicht, weil sie spürt, dass sie sonst ihr Traumbild gegen die Realität eintauschen müsste. Doch dagegen wehrt sie sich. Denn sie ahnt: "Es gibt nichts Verletzlicheres als allein sein unter den Menschen", und wählt den Freitod. Ein Stück, das weh tut. So gesehen ist es an einem lauen Sommerabend bekömmlicher.

Julia Rehder

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