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Nicht jeder ist von den Programmänderungen begeistert.

© imago/Jürgen Hanel

Theater in Berlin-Schöneberg: Unmut über neuen Betreiber im einstigen Puppentheater

Im Theater am Winterfeldtplatz gibt es künftig ein neues Programm – mit weniger Puppenspiel. Im Kiez herrscht Skepsis über den Generationswechsel.

Generationswechsel im Theater am Winterfeldtplatz in Schöneberg: Mehr als zwei Jahrzehnte lang war dort das Figurentheater „Hans Wurst Nachfahren“ zu Hause, dann fiel im Juni 2018 dessen letzter Vorhang, die Betreiber hörten aus Altersgründen auf. Und der Eigentümer des Gebäudes wollte in den Räumen ein Tonstudio einrichten. Doch nach Protesten im Kiez gelang es Kultursenator Klaus Lederer (Linke), ihn umzustimmen.

Der Mietvertrag wurde bis 2023 verlängert. Nun soll die Berliner Theaterpädagogin und Expertin für Darstellende Künste Gabi dan Droste mit ihrem Team die Spielstätte übernehmen. Acht Gruppen hatten sich um die Übernahme des Theaters beworben, darunter auch ein früherer Puppenspieler von „Hans Wurst Nachfahren“. Eine von der Senatskulturverwaltung eingesetzte Fachjury entschied sich schließlich für Gabi dan Droste.

Gender, Nachhaltigkeit und andere neue Themen

Das ist einerseits eine gute Nachricht, der Theaterbetrieb geht zumindest für fünf Jahre gesichert weiter. Aber viele Fans des traditionsreichen bisherigen Figurentheaters können sich mit den neuen Programmplänen offenbar nicht so recht anfreunden. Gabi dan Droste arbeitet im In- und Ausland für freie interdisziplinäre Kunst- und Theaterprojekte, zu ihren Schwerpunkten gehört auch Tanz für junges Publikum. Gemeinsam mit der Produzentin Susanne Meyer und dem Choreographen und Performer Martin Nachbar will sie das Haus für vielfältige Disziplinen öffnen.

Nachbar hat zahlreiche Tanzstücke geschrieben, im vergangenen Sommer wurde in den Sophiensälen in Mitte sein Stück „Quo vadis Körper?“ aufgeführt. „Wir haben zwar eine große Faszination für das Figurentheater, deshalb wird es das auch weiter geben“, verspricht Gabi dan Droste. „Aber wir wollen das Programm auffächern und auch viel Tanz und Performance zeigen.“ Mit den Themen Identität und Gender, Verbindungen zwischen Körper und Gefühlen sowie ökologischer Nachhaltigkeit wollen die neuen Betreiber Themen setzen, die sich deutlich an aktuellen gesellschaftlichen und politischen Debatten orientieren. Auch die Struktur des Hauses soll sich ändern: Statt eines klassischen, festen Ensembles sollen freischaffende Künstler ihre Projekte auf die Bühne bringen können.

Alle Generationen sollen teilhaben

Gabi dan Droste will in den Kiez hineingehen, sich mit dem Ort und seiner Umgebung verknüpfen. Sie will im Theater unterschiedliche Menschen zusammenbringen und teilhaben lassen. Deshalb ist ihr wichtig, „dass die Produktionen generationsübergreifend für alle Altersgruppen funktionieren: von Kindern ab drei Jahren bis zu Senioren.“ Die spannende Frage ist nun, wie das künftige Bühnenangebot in Schöneberg ankommt. Viele haben sich in den Zauber des Puppentheaters verliebt, Monsterstar Grüffelo begeisterte die Kinder, die teils mannshohen Stab-, Hand-, Marionetten- und Klappmaulpuppen sind ein wichtiges Stück Lebenserinnerung geworden – egal ob Hase Lodengrün oder die furchtlose Maus auftraten.

Dennoch vertraut Jochen Dannert von der „Bürgerinitiative Kiezkultur“ am Winterfeldtplatz erst einmal der Fachjury des Senats. Für ihn war ausschlaggebend, das Theater als Jugendkultureinrichtung, als „quasi-öffentlichen Raum zu sichern“. Jahrelang hatte die Initiative für die Erhaltung des Puppentheaters gekämpft.

Die Chancen standen nicht gut, vor allem nachdem sich die Gründer und bisherigen Betreiber Barbara Kilian und Siegfried Heinzmann zur Ruhe setzten. Doch am Ende konnte die Initiative rund 16000 Unterschriften auf ihrer Petitionsliste vorweisen. Das zeigte Wirkung: Ende Mai verkündete der Senat überraschend, dass der Mietvertrag mit dem Eigentümer des Hauses bis 2023 verlängert werden konnte.

Christdemokraten im Bezirk äußern Unmut

Anders als Jochen Dannert bewerten die Christdemokraten im Bezirk die neue Ausrichtung des Theaters. Sie sind mit der Wahl unzufrieden und erkundigten sich bereits, ob eine Neuausschreibung möglich sei. Die Bezirksstadträtin für Bildung und Kultur, Jutta Kaddatz (CDU), ist „enttäuscht, dass wir als Bezirk nicht in das Verfahren miteingebunden waren“. Kaddatz sagt, sie habe schon E-Mails von Bürgern erhalten, die ihren Ärger über die Auswahl geäußert hätten. Ihrem Unmut machten jüngst auch mehrere Puppenspieler Luft.

Als die Bezirksverordnetenversammlung tagte, legten sie einen offenen Brief aus und beklagten darin, dass die Tradition des bei Klein und Groß beliebten Puppenspiels nicht ausreichend fortgesetzt werde. „Hans Wurst Nachfahren“ spielte auch Puppenstücke für Erwachsene – von Edgar Wallace bis Loriot. Gabi dan Droste sieht das gelassen: Erfahrungsgemäß sei die Neugierde im Publikum nach Veränderungen immer groß. „Da haben wir keine Befürchtungen.“ Außerdem werde es Figurentheater auch in Zukunft geben. Erstmals kennenlernen kann man das neue Team bei einem Minifestival am 15./16. Dezember. Dann möchte sich die Tanz- und Theatermannschaft mit einem Potpourri ihres Programms vorstellen und damit den Spielbetrieb offiziell eröffnen. Und wie soll das künftige Theater heißen? Der neue Name wird wohl erst beim Festival verraten.

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