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© Spiekermann-Klaas

Theaterschule: Pankower Trauerspiel

Die Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch gilt als eine der besten der Republik. Doch ihr geht der Platz aus. Seit Jahren ringt die Uni um einen Umzug.

Eine junge Frau kauert im Spind. Zum Glück nur auf einem riesigen Foto. Doch so wie auf dieser Posterwand im Foyer geht es der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Niederschöneweide auch insgesamt: Den Studenten und ihren Dozenten ist es hier zu eng. Seit Jahren strebt die neben der Otto-Falckenberg-Schule in München renommierteste Schauspielschule der Republik wegen ihrer desolaten Raumsituation einen Umzug an. Seit November sollte darüber entschieden sein, wo ein neuer Zentralcampus gebaut wird. Aber nun könnte das Ausschreibungsverfahren ergebnislos versanden. Dann ginge alles wieder von vorne los. Und das wäre für die Schule eine Katastrophe. „Man lässt uns hängen“, sagt der Rektor Wolfgang Engler. Er telefoniert ständig mit verantwortlichen Politikern. Mal sagen sie, es sehe ganz gut aus. Und am nächsten Tag hört Engler das Gegenteil.

Wer in die großzügige Eingangshalle kommt, merkt erst einmal nichts von einem Raumproblem. Dann kommt Student Tom Radisch aus der Bibliothek und setzt sich in einen Polstersessel. Die Ecke gegenüber schmückt eine schaurige Klavierattrappe, von Geisterhand gespielt und mit Blut befleckt. Der junge Dresdner hat unter mehr als 1000 Bewerbern einen Platz ergattert, wo Berühmtheiten wie Nina Hoss und August Diehl ihr Handwerk erlernten.

Doch ihre vier Institute liegen derzeit kreuz und quer über die Stadt verstreut. In Niederschöneweide an der Schnellerstraße lernen etwa 100 Schauspielschüler. Noch einmal so viele lassen sich an den anderen Standorten ausbilden: die angehenden Puppenspieler an der Parkaue in Lichtenberg, die Choreografen und Bühnentänzer an der Immanuelkirchstraße und die Regisseure an der Belforter Straße in Prenzlauer Berg. Dort liegt auch das schuleigene Studiotheater BAT. Das offensichtlichste Ärgernis sind die Distanzen, die die Studenten zwischen Wohnort, Hochschule und diversen Partnertheatern zurücklegen müssen. Radisch beklagt aber auch den fehlenden Austausch insbesondere zwischen Schauspielern und Regisseuren, der die Schule zu einem „Schmelztiegel junger Kreativer“ machen würde. Da könnten zwischen den Künstlern beim Herumalbern in der Kaffeepause gemeinsame Projekte entstehen. Kooperationen zwischen den Sparten sieht auch Dozentin Hilde Stark im Moment unnötig erschwert. Ihr Kollege Veit Schubert beobachtet, dass die vom Pendeln ermüdeten Studenten sich abends nicht mehr zum Theaterbesuch irgendwo anders in der Stadt aufraffen. Und der sei für den Lernerfolg unersetzlich.

Doch das ist nicht der einzige Makel, der auf der Arbeit der landeseigenen Busch-Schule lastet. „Hier gibt es nur eine große Bühne, um die sich die Studenten streiten“, sagt Schubert. Außerdem ist der DDR-Bau in Niederschöneweide mittlerweile marode. Im Sommer müffele es unerträglich, da man wegen asbesthaltiger Dichtungen den Bau nicht mehr richtig belüften könne. Hausmeister Reinhard Steininger sagt, dass es auch bisweilen durch die Dachpappe regnet.

Eigentlich steht seit fast drei Jahren fest, dass die Ernst-Busch-Schule einen neuen Zentralcampus bekommt. Seitdem spart das Land an der Sanierung der Gebäude. Das Budget reiche momentan nur aus, um kleine Schäden zu beheben, sagt Jörg Hinz von der Gebäudeverwaltung. Aber über den neuen Standort ist immer noch nicht entschieden.

„Das Vergabeverfahren hat kabarettistische Züge angenommen“, höhnt der SPD-Abgeordnete Torsten Schneider. Als Pankower Politiker hat er ein handfestes Interesse an dem Fall: Ihm ist an einer schnellen Entscheidung zugunsten der ehemaligen Garbaty-Zigarettenfabrik in seinem Bezirk gelegen. Sie kam 2005 als erster möglicher Standort ins Spiel. Ausgeschrieben wurde dann Ende 2006. Neben den Garbaty-Höfen sind noch die Josetti-Höfe nahe der Jannowitzbrücke und ein Grundstück am Stralauer Platz im Gespräch.

Ursprünglich sollte der künftige Standort vergangenen November ausgewählt sein. Im Januar wurde bekannt, dass es bei der Finanzierung hakt: Der Senat hat für das Projekt gut 29 Millionen Euro im Haushalt eingeplant. Doch alle Angebote der drei Investoren liegen weit über diesem Limit. Hinter den Kulissen schöben sich Senat und der letztlich entscheidende Hauptausschuss den Ball hin und her, sagt Rektor Engler. Öffentlich äußern will sich angesichts des laufenden Verfahrens kaum jemand. „Es ist das Ziel des Senats, die Hochschule für Schauspielkunst adäquat unterzubringen“, heißt es knapp aus der Senatswissenschaftsverwaltung. Wenn das Land keines der Angebote annimmt, müsste neu ausgeschrieben werden.

An der Hochschule hat man den Eindruck, dass sich die Lage ständig verschärft. Rektor Engler sagt, ihm sei an einer schnellen Lösung gelegen: egal wo, Hauptsache in zentraler Lage. Auf ein in der Ausschreibung enthaltenes neues Theater würde er dafür verzichten. Dann sei der Campus für 32 Millionen Euro zu haben, hat Engler ausgerechnet. Und das BAT erfülle schließlich vortrefflich seinen Zweck.

In die Verzweiflung der Busch-Leute mischt sich Kampfgeist. Schauspiel-Abteilungsleiter Michael Keller denkt daran, hochrangige Absolventen zu Protestaufführungen zusammenzutrommeln. Damit habe man die Politik schon vor Jahren erfolgreich unter Druck gesetzt, als die Ernst-Busch-Schule mit der Universität der Künste zusammengelegt werden sollte. Einen offenen Brief haben unter anderem Corinna Harfouch und Franziska Petri unterzeichnet. Darin heißt es: „Wir können uns nicht vorstellen, dass Berlin sich keine vernünftigen Arbeitsbedingungen für die renommierte Hochschule für Schauspielkunst leisten kann.“

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