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Berlin: Thekentanz: "925" in Mitte

Ein Gast sieht rot. Tiefrot, weinrot, blutrot - wer sich ins "925" begibt, taucht in eine Magmakammer ein.

Von Frank Jansen

Ein Gast sieht rot. Tiefrot, weinrot, blutrot - wer sich ins "925" begibt, taucht in eine Magmakammer ein. Dabei müssten in diesem Lokal silbrige, glänzende Töne dominieren. 925 ist bekanntermaßen das Kennzeichen des Feingehalts von Sterling-Silber. Welches sich in dieser Bar auch an prominenter Stelle findet. Die Auflage des großen, streng U-förmigen Tresens wurde aus 925er Silber gefertigt, wie auch Tresenmöbel-Aperçus. Doch es merkt kaum jemand. Macht nichts: Das Rotlicht und die langen, hohen, tomatenroten Sitzbänke mit den hölzernen Schachteltischkunstwerken geben dem großen Raum ein Gepräge mondäner Wollust.

Da der Abend lauschig war, nahmen compañera und drinking man jedoch lieber draußen Platz. Auf dem Trottoir sind harte, weiße Edelplastikfauteuils aufgereiht. Das Hin- und Herrücken erzeugt am Boden seltsame Brummgeräusche, als werde ein Bär in seinem Schlaf gestört. Ein ähnliches Markenzeichen der Akustikkulisse ist das Rauschbrummen der vorbeirollenden Reisebusse. Das 925 liegt schließlich am Gendarmenmarkt, schräg links prunkt der Deutsche Dom. Da staunen die Insassen der Doppelstöcker, die putzige Namen tragen wie "Der Pfreimdstaler". Doch die Busse halten nicht vor dem 925. Vor dem 925 stoppen meist Cabriolets. Silberne Mercedesse, blaue BMW, schwarze Jaguare. Den Cabrios entsteigen edle Menschen, die jedoch offenbar ins nahegelegene Restaurant VAU oder ins Newton strömen.

Das 925 steuern vor allem Damencliquen an. Die Ausstattungsvielfalt ist begrenzt: Bronzierte Haut, weiße Leinenblusen oder -kleidchen, weiße Vier-Fünftel-Hosen mit spitzem Schlitz am hohen Röhrenende, goldene Knöchelkettchen, weiße Pumps. Einige Damen befanden sich im Zustand fortgeschrittener Abenteuerlust. Der drinking man war jedoch unabkömmlich. Und die compañera zischte: "Vorstadtpomeranzen".

In der Karte sind die Preise seltsam stillos mit schwarzem Filzstift überschrieben, doch das Angebot verspricht Trinkgenuss. Die compañera orderte ihren favourite drink, einen Bellini - und mutmaßte, das obligate Mark weißer Pfirsiche sei durch Fruchtsaft ersetzt worden. Kaum weniger irritiert reagierte der drinking man auf seinen Cherry Daiquiri, den er "frozen" bestellt hatte. Es kam ein dünner Trank, der auch kalt war, aber nicht der erhoffte Glitzereisbrei. Obendrein erschien die aufgepropfte Erdbeere bei einem Kirsch-Daiquiri eher deplaziert.

Dann geschah ein kleines Wunder: Der compañera wurde ein Virgin Strawberry serviert - frozen! Ohne spezielle Order. Mensch, 925, wer soll das begreifen? Sinnierend sog der drinking man an seinem Mojito, der den Denkprozess nicht störte.

Toll war die Musik. Pulsierender Club-Culture-Sound von "St. Germain", passend zu dem Mix aus Rotlicht und postmodern-kantigen Interieur. Da müsste doch ein wunderbarer Bellini oder frozen Daiquiri möglich sein. Oder sollen im 925 nur weiße Pumps abgefüllt werden?

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