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Berlin: Thekentanz: Hecht Club im Prater Garten

Bratwurstdüfte ziehen in die Nase, Lachen und Humpenklacken dringen ins Ohr. Der Prater ist beliebt, auch wenn er weit weniger zu bieten hat als das Wiener Original.

Von Frank Jansen

Bratwurstdüfte ziehen in die Nase, Lachen und Humpenklacken dringen ins Ohr. Der Prater ist beliebt, auch wenn er weit weniger zu bieten hat als das Wiener Original. Dort dreht sich ein legendäres Riesenrad, in Prenzlauer Berg ist das Amüsement auf den Konsum deutschdeftiger Speisen und Getränke beschränkt. Aber halt: Ganz hinten, an der Betonbühne mit dem Dach nach Art der "schwangeren Auster", steht eine massive Gittertür offen. Obendrein weist eine schmale Hecht-Figur an der Wand den Weg nach links. Was verbirgt sich hier? Die Schlafstätte fischfressender Raubtiere, die gerade Ausgang haben? Oder die Zelle eines irren Hecht-Fetischisten, dem vor wenigen Minuten der Ausbruch gelang? Schauen wir mal rein.

Am Eingang stand ein dicker Sack. Eine junge Frau kam vorbei, langte mit beiden Händen hinein und holte eine größere Menge Erdnüsse heraus. Dann ging sie zurück zu ihrem Tisch, vor dem schon reichlich Erdnussschalen herumlagen. Doch irgendwie passt das rustikale Nussfutter-Ritual nur zu dem Boden aus alten, grauen, quadratischen Granitplatten. Oberhalb der Schuhsphäre ist der lange, eher schmale Raum mit schräger Decke nichts weniger als der gelungene Versuch, eine elegante Fifties-Sixties-Bar zu kopieren. Der dunkle Holztresen mit Footrail wird von sechs roten Rohrlampen beschummert, vor dem Tresenkorpus sind rund ein Dutzend runde Stahlrohrhocker mit rotem Sitzpolster aufgereiht. Um die grauen Blechtische herum sind rote Kunstlederstühle gruppiert, in denen sich junge Menschen räkeln. Eine Treppe mit weißlichem, schmiedeeisernem Geländer und Holzstufen führt zu einem Balkon hinauf, auf dem mehrere Eisdielen-Blechtische und -stühle stehen. Hier oben kann man dann wieder beim Blick auf den Biergarten den Bratwurstduft genießen. Aber das wollten drinking man und compañera eigentlich nicht.

Der Kellner, ein Edelskinhead mit schwarzen Schnürstiefeln unter der langen, weißen Schürze, brachte eine niedliche Karte mit der Aufschrift "Hecht Club". Aus dem auf Klassiker begrenzten Angebot "fischte" sich das drinking couple einen Mai Tai sowie einen Honolulu Cooler (Southern Comfort, Brauner Rum, Lime Juice, Ananas- und Zitronensaft) heraus. Der starke Mai Tai wurde von der compañera in den höchsten Tönen gelobt, abgesehen vom Nebensatz "ein Tick overdosed". Auch der Honolulu Cooler war prima. Also konnte sich der drinking man an einen Frozen Daiquiri wagen.

Oh je! Es kam, im Wasserglas, ein Drink, der nur in der Konsistenz einem Frozen Daiquiri ähnelte. Der Geschmack war im Wortsinn umwerfend: Einen salzigen Abgang hat der drinking man bei dieser Art Cocktail noch nie erlebt. Weshalb auch, zum ersten Mal in sechs Jahren Thekentanz, ein Drink zurückgegeben wurde. Der freundliche Kahlkopfkellner brachte umstandslos einen neuen Daiquiri. Der dann immerhin nur noch flau war.

Die sonst so strenge compañera verstieg sich hingegen erneut zu einer Hymne, als ihr der alkoholfreie Menito (Minze, Limette, Rohrzucker, Tonic Water) gebracht war. Als störend empfand sie nur die um 23 Uhr rapide zunehmende Lautstärke der Beschallung mit eigentlich angenehmem Club-Culture-Sound. Und die dann doch sehr skinmäßige Angewohnheit des Kellners, die im "f 6"-Aschenbecher entsorgten Erdnussschalen demonstrativ auf den Boden zu kippen. Was will der Hecht Club denn sein? Eine Verlängerung des Biergartens oder ein Refugium des elegant drinking? Etwas ratlos stand das couple auf und tauchte wieder in die Bratwurstdünste ein.

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