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Berlin: Theoretisch gut, aber am Leben vorbei

Der Missbrauch von Ein-Euro-Jobs liegt im System: Die Kriterien lassen sich nur schwer erfüllen

Die Theorie hinter den EinEuro-Jobs klingt gut: Durch gemeinnützige Tätigkeiten können sich Arbeitslose qualifizieren und den Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen. Alle wären glücklich: die Öffentlichkeit, weil sie sanierte Schulgebäude, gepflegte Parks und gut versorgte Kita-Kinder hätte, und die Arbeitslosen, weil sich ihre Chancen auf einen Wiedereinsteig in das Berufsleben erhöhen. Auch Firmen würden keine Aufträge verloren gehen, weil es sich um zusätzliche Aufgaben handelt, die sonst unerledigt blieben. Die Theorie allerdings scheitert am wahren Leben – was sich wahrscheinlich auch durch noch so viel bürokratischen Aufwand nicht verhindern lässt.

Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass die Ein-Euro-Jobs zusätzliche, gemeinnützige und qualifizierende Tätigkeiten sein müssen. Alle anderen Tätigkeiten könnten festangestellte Mitarbeiter verdrängen. Anders ausgedrückt: Nur die Arbeiten, für die es auf dem Markt keinerlei Angebot gibt, sind erlaubt. Fragt man bei den Arbeitsagenturen, bei Unternehmensverbänden, bei der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer nach, stellt sich heraus, dass diese Kriterien lediglich wenige Tätigkeiten im sozialen Bereich erfüllen: Patienten in Krankenhäusern zur Therapie zu begleiten, ist nicht erlaubt, eine zusätzliche Begleitung für den Begleiter allerdings schon. Ein-Euro-Jobber dürfen Kita-Kinder nicht eigenständig eine Bastelaufgabe vorschlagen, ihnen aber beim Basteln helfen, wenn die Erzieherin die Aufgabe vorbereitet. Schreibarbeiten in Büros sind verboten, im Alten-Club aber erlaubt. Weil das so schwierig abzugrenzen ist, sei es selbst für Arbeiten im sozialen Bereich sehr schwierig, Genehmigungen durch die Arbeitsagentur zu bekommen, sagt Caritas-Sprecher Joachim Mordeja. Von 450 Ein-Euro-Jobs seien nur 50 genehmigt worden.

Handwerksarbeiten, die die öffentliche Hand vergibt, sind eigentlich prinzipiell für Ein-Euro-Jobber ausgeschlossen, sagt Handwerkskammer-Präsident Stephan Schwarz. Von Malerarbeiten, Gebäudereinigung, Instandsetzung von Gemäuern, Heizung oder Sanitäranlagen über Umzugsarbeiten bis hin zur Pflege von Grünanlagen, das alles können Firmen erledigen.

Laut Handwerkskammer und verschiedenen Innungen setzen dennoch etliche Bezirksämter, Sportvereine und Wohnungsbaugesellschaften für solche Tätigkeiten Ein-Euro-Helfer ein – für die Kammern ein klarer Fall von Missbrauch. In vielen Fällen seien die Kammern nicht gefragt worden, oder die Ein-Euro-Jobber machten hinterher etwas anderes, als bei der Arbeitsagentur beantragt und genehmigt wurde. Zum Beispiel, wenn ein Sportverein einen zusätzlichen Betreuer für die Kinder beantragt und dieser dann die Umkleideräume streicht, weil sich herausstellt, dass er zufällig gelernter Maler ist. Die Handwerkskammer ermittelt nun, ob es sich bei solchen Fällen um strafrechtlich relevanten Betrug handelt.

Eine Mitarbeiterin der IHK weist noch auf ein anderes Problem hin: dass die Ein-Euro-Jobs die Ich-AGs verdrängen, die sich letztes Jahr in den wenigen noch übrigen Nischen auf dem Arbeitsmarkt angesiedelt haben: Stadtführer und Fahrdienste etwa. „Ob die Tätigkeiten, die dann für Ein-Euro-Jobs noch bleiben, irgendjemand helfen, in den Arbeitsmarkt hineinzukommen, ist fraglich“, sagt Schwarz. clk, cof

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