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Berlin: Tief gespalten

Jüdische Gemeinde: Neuwahlen sind wahrscheinlich

Die personellen Auseinandersetzungen in der Jüdischen Gemeinde werden heftiger, die Forderungen nach Neuwahlen lauter. Bei der ersten Sitzung des Gemeindeparlaments nach den Ferien am Mittwoch trat die Parlamentsvorsitzende Sylva Franke zurück, weil sie die internen Querelen nicht mehr länger mittragen mochte. Isaak Behar, Gemeindeältester und HolocaustÜberlebender, kündigte seinen Austritt aus der Gemeinde an, wenn die Repräsentantenversammlung nicht bis Ende des Jahres den Beschluss fasse, sich aufzulösen und vorzeitig Neuwahlen einzuleiten. Regulär würde erst 2007 wieder gewählt werden.

Behar wirft dem Gemeindeparlament und dem Vorstand vor, die Gemeinde „zum Gespött zu machen“. Die Arbeit der Repräsentanten sei gekennzeichnet von gegenseitigem Misstrauen, Intrigen und üblen Beschimpfungen. Dem Vorstandsvorsitzenden Albert Meyer bescheinigt er Führungsschwäche und Arroganz. Julius Schoeps, Leiter des Moses- Mendelssohn-Zentrums in Potsdam, wirft Meyer hingegen in der neuen „Jüdischen Zeitung“ vor, wie ein Diktator aufzutreten und die parlamentarischen Spielregeln zu missachten. Meyer bedauerte den Rücktritt von Sylva Franke. Sie habe viel für die Gemeinde geleistet. Die anderen Vorwürfe wies er zurück. Behar trage selbst dazu bei, dass die Gemeinde in die Negativschlagzeilen gerate.

Die Parlamentssitzung endete wie die meisten im vergangenen halben Jahr mit persönlichen Vorwürfen. Vier Misstrauensanträge wurden eingebracht, auch gegen Fredy Gross, Personaldezernent und einer von Meyers beiden Stellvertretern. Eine Gruppe um Meyers zweiten Stellvertreter Arkadi Schneiderman wirft Gross vor, als Geschäftsführer der Gemeinde vor sieben Jahren zu viel Kilometergeld abgerechnet und 67 000 Mark unterschlagen zu haben. Die Vorwürfe waren bereits früher erhoben und Gross entlassen worden. „Die Vorwürfe sind nicht haltbar“, sagt Gross. Er habe für das Geld Gegenstände für die Gemeinde angeschafft. Die Vorwürfe seien politisch motiviert.

Viele Beobachter vermuten hinter den Querelen einen Machtkampf zwischen den alteingesessenen Gemeindemitgliedern um Albert Meyer einerseits und den zugewanderten aus der ehemaligen Sowjetunion um Schneiderman andererseits. Behar aber sagt: „Mittlerweile schießt jeder gegen jeden.“ Fest steht: Meyer wie auch Schneiderman, Gross und Schoeps befürworten Neuwahlen. Dafür ist eine Mehrheit von 16 der 24 Repräsentanten nötig. clk

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