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Berliner Landabenteuer. Auf dem Ufa-Kinderbauernhof in Tempelhof können Mädchen und Jungen auch mal im Galopp die Ponys Flocke, Desta, Buddy und Fred reiten.

© Mike Wolff

Tiere in der Stadt: Unsere kleine Farm

Auf Berlins Kinderbauernhöfen kann man weitaus mehr tun als nur Ponys liebkosen. Die jungen Besucher erfahren dort viel über das traditionelle Leben auf dem Land.

Rosa und Rudi sind die Lieblinge der Kinder. Abwechselnd schieben die beiden Tiere ihre Köpfe zur Tür hinaus, wagen ein paar Schritte ins Freie und wühlen mit ihrer Schnauze in der Erde. Wegen ihrer langen Borsten sehen Rosa und Rudi ein wenig aus wie Wildschweine – es sind aber Wollschweine. „Besonders die unter Dreijährigen fahren total auf die beiden ab“, sagt Andreas Knöbel vom Ufa-Kinderbauernhof in Tempelhof. Warum ausgerechnet Schweine so hoch im Kurs stehen, kann er nur mutmaßen. „Sie wirken vertrauensvoll, strahlen Ruhe und Zuneigung aus.“ Vor dem Hahn hingegen hätten die meisten Kinder Respekt.

Auf dem Hof des Ufa-Geländes, des selbstverwalteten Kultur- und Wohnprojekts, das es so seit 1979 gibt, kann man außerdem Kaninchen, Hühner, Gänse, Schildkröten und Frettchen beobachten – sowie vier Ponys. Die zehnjährige Chantal und ihre Freundinnen sind ganz verrückt nach Flocke, Desta, Buddy und Fred. Einmal in der Woche kommen sie zum Reiten auf den Hof der Ufa-Fabrik. Andreas Knöbel nennt es die „Pferdemanie“, die bei den Mädchen im Kiez schon seit längerem ausgebrochen sei.

Chantals Lieblingspony ist „Flocke“. Das Shetlandpony mit der hellen Mähne sei manchmal zickig, aber deshalb besonders „süß“, schwärmt das Mädchen und streichelt das weiche Fell. „Das Reiten ist kostenlos, aber verbindlich“, erklärt der Sozialpädagoge Knöbel. So lernten die Kinder, Termine einzuhalten. Durch den Kontakt zu Tieren könnten auch schon die ganz Kleinen auf spielerische Weise erfahren, was es bedeutet, sich zu kümmern und Vertrauen aufzubauen. „In der Stadt ein Haustier zu halten, ist schwierig.“ Deshalb können auf dem Hof jüngere und ältere Kinder beispielsweise Kaninchen oder Frettchen als Pflegetiere adoptieren. „Manche Kinder entscheiden sich auch für ein Huhn“, erzählt Knöbel. Auf dem Gelände hätten nicht nur die Tiere viel Platz. „Auch die Kinder verbringen ihre Zeit an der frischen Luft.“

Eine Besonderheit ist die Bienenzucht: Im Sommer dürfen die Kinder Honig aus einer Wabe kosten, ein Imker erklärt ihnen den Unterschied zwischen Biene und Wespe. Das ist besonders interessant für Kindergartenkinder. Schüler im Grundschulalter kommen zum Beispiel zur Hausaufgabenbetreuung, außerdem gibt es Angebote wie Basteln, Stockbrot rösten, ein Zeltlager im Sommer und viele Feste.

Die Ufa-Fabrik betreibt keineswegs den einzigen Kinderbauernhof in Berlin. In Kreuzberg, Zehlendorf, Wedding, Prenzlauer Berg, Marzahn und Reinickendorf gibt es Höfe mit ähnlichem pädagogischem Konzept. Die Kinder sollen gucken, streicheln und staunen. Nebenbei lernen sie, dass eine Schildkröte Winterschlaf hält, was das Lieblingsessen von Kaninchen und Pferden ist und dass eine gesunde Ernährung für die Tiere ebenso wichtig ist wie für einen Menschen.

Viele der Höfe, die meist von Vereinen getragen werden, bieten außerdem Kurse an, in denen die Kinder filzen, Körbe flechten oder töpfern können. So lernen sie Handwerkskünste, die früher auf Bauernhöfen ausgeübt wurden. Die Familienfarm Lübars bietet beispielsweise Kurse in Woll- und Milchverarbeitung an, aus einem Lehmbackofen kann selbst gebackenes Brot geholt werden. Auf dem 250 Jahre alten Bauernhof im Angerdorf Marzahn erhalten die Besucher einen Einblick in das traditionelle Landleben. Hier werden vom Aussterben bedrohte Nutz- und Haustiere gehalten wie der altdeutsche Hausesel und die Sultanhühner.

Für Reiten oder Basteln verlangen die Kinderbauernhöfe teilweise einen kleinen Unkostenbeitrag zwischen einem oder drei Euro. Doch anders als beim Zoo oder Aquarium ist der Besuch der Tiere ansonsten gratis. Stadtkinder lernen die Tiere kennen, die hierzulande heimisch sind und früher zum Leben nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt dazugehörten. Schließlich gab es in Kreuzberg noch in den frühen 50er Jahren kleine Kuhställe im Hinterhof.

Zum Hof auf dem Ufa-Gelände kommen aber auch viele ältere Besucher. „Sie vermissen die Pferde, die es früher wegen der Kutschen noch in Berlin gab“, sagt Knöbel. So sind die Kinderbauernhöfe auch Begegnungsstätten für Jung und Alt.

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