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Berlin: Tierheim Lankwitz: Ein ganzes Jahrhundert voller tierischer Geschichten

Aufstand im Tierheim Lankwitz. Wegen der drohenden Tollwut in Berlin stand im Dezember 1950 eine amtliche Veterinärin mit der Giftspritze vor der Tür.

Aufstand im Tierheim Lankwitz. Wegen der drohenden Tollwut in Berlin stand im Dezember 1950 eine amtliche Veterinärin mit der Giftspritze vor der Tür. Sie sollte alle eingefangenen Streuner töten - aber das ging den Tierfreunden zu weit. Sie verriegelten ihr Hunde- und Katzenasyl. Erst einem Trupp Polizisten gelang es, durch eine Seitentür einzudringen. Danach wurde aufgeregt verhandelt, bis der Senat den Hunden eine Gnadenfrist einräumte: Wurden sie binnen drei Tagen von ihren Besitzern abgeholt, durften sie am Leben bleiben, mussten aber tierärztlich beobachtet werden.

Solche Geschichten über Berlins vierbeinige Herumtreiber füllen in Lankwitz eine stattliche Chronik, und für den heutigen Freitag ist eine ganz besonderen Eintragung vorgesehen: Das am 22. Juni 1901 eröffnete Tierheim wird 100 Jahre alt.

Anlass genug für eine Jubelfeier am kommenden Sonntag. Der Tierschutzverein lädt zum Tag der offenen Tür mit Live-Musik und vielerlei Unterhaltung. Die Hundeschule stellt sich vor, alle 223 Hunde, 232 Katzen sowie 85 Meerschweinchen, Vögel und andere Kleintiere, die auf ein neues Zuhause warten, können besucht werden. Und natürlich erzählen eine Fotoausstellung sowie die kostenlos verteilte Jubiläumsbroschüre jede Menge tierischer Geschichten aus der Vergangenheit. Zu einem Zeitpunkt, an dem Berlins Tierschutzverein mehr denn je in die Zukunft schaut. Denn Anfang September dieses Jahres will er den Traditionsort Lankwitz aufgeben. Das Team und alle Tiere ziehen ins neu erbaute, topmoderne Tierheim am Hausvaterweg 39 in Hohenschönhausen-Falkenberg um.

Es soll ein Symbol sein für den Tatendrang von Berlins Tierschützern, deren Bewegung schon im 19. Jahrhundert außergewöhnlich stark war. 1841 stellte der Gründer des Tierschutzvereines, Dr. phil. C.J. Gerlach angesichts eines misshandelten Pferdes und diverser entrüsteter Bürger fest, "dass doch sehr viel Tierliebe im Volk vorhanden sei." Kurz darauf wurde sogleich der erste "Verein gegen Tierquälerei" ins Leben gerufen, später "Tierschutzverein für Berlin und Umgebung Corporation" genannt. Und 1851 gab es erstmals einen Tierschutzparagraphen im Preußischen Gesetzbuch.

Nun war die Zeit bald reif für eine Tierheim-Premiere. 1886 entstand in Britz das erste Hunde- und Katzenasyl, es wurde bis 1901 betrieben, doch schon neun Jahre vorher zog der Verein unter die Stadtbahnbögen an der Schicklerstraße 4 nahe der Jannowitzbrücke. Auch hier gab es Zwinger für Streuner und Pensionshunde und einen Tierarzt-Service. Dieser Tierhort blieb bis zum Ende der DDR geöffnet, er reichte allerdings schon zur Jahrhundertwende nicht mehr aus, weshalb im August 1900 an der Dessauer Straße in Lankwitz der Grundstein für die heutigen Gebäude gelegt wurde. Man konnte seinen Hund dort sogar mit einem Spezialstaubsauger entlausen lassen.

1908 ratterten dann die ersten Tierschutzinspektoren durch Berlin und gingen mehr als 2000 Hinweisen auf schlechte Tierhaltung nach. Herrenlose Hunde und Katzen wurden damals öffentlich versteigert. Aber das brachte in den Hungerjahren nach beiden Weltkriegen viel Ärger ein, weil Promenadenmischungen zu Hauf erworben und in den Kochtopf gesteckt wurden. Das gleiche Schicksal ereilte streunende Katzen. Sie kamen als "Dachhasen" auf den Speisezettel. Berlins Tierasyl war in diesen Tagen recht leer.

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