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Die Sängerin und Schauspielerin Angelika Milster und der österreichische Schauspieler, Regisseur und Intendant Peter Weck bei der Verleihung des Deutschen Musical Theater Preises in Berlin. Weck erhielt dort den Ehrenpreis.

© Jörg Carstensen/dpa

Tipi am Kanzleramt: 1. Deutscher Musical-Theater-Preis verliehen

Im Tipi am Kanzleramt wurde erstmals der Deutsche Musical-Theater-Preis verliehen. Ein Besuch auf einer noch recht jungen Veranstaltung.

Die Gala zum 1. Deutschen Musical-Theater-Preis endete mit einem Versprechen. „Nächstes Jahr schaffen wir das in drei Stunden 25 Minuten“, sagte Moderator Thomas Hermanns gegen Mitternacht nach – uff! – vierstündiger Zeremonie im Tipi. Vielleicht sollte er sich seine Ziele etwas höher stecken, damit der Preis nicht allzu sehr in der Familie bleibt.

Als Gast konnte man am Montagabend eine Menge lernen über das deutsche Musical, das selbst Gesänge in Schwyzerdütsch umfasst. Seinen Aufstieg hat das deutschsprachige Musical vor allem auch dem Ehrenpreisträger Peter Weck zu verdanken, der von Angelika Milster mit wärmsten Worten gelobt wurde. Die Dankesrede ging nicht ohne Kampfberichte ab aus dem Wien der 1980er Jahre, als es galt, Orchester, Ballett und Chor auf einmal zu feuern, um dem deutschen Musical das Operettenhafte auszutreiben. „Cats“ wurde danach zur Legende. Heute sei mit Wien, was Musical betrifft, nicht mehr viel los, sagte der Ehrenpreisträger etwas überraschend am Schluss.

Besser kamen die Erinnerungen an seinen ersten Auftritt in Berlin 1985 im Theater am Kurfürstendamm weg. Auf jeden Fall steht dem deutschen Musical die verschärft glamouröse Phase noch bevor. Im Moment beherrschen gerade Leidenschaft und wohl auch ein bisschen Leidensfähigkeit die Szene. Sowohl die Jury, die aus 22 Erstproduktionen in sage und schreibe 13 Kategorien die Besten herausgefischt hat, als auch die Darsteller fahren ganz viel mit der Bahn. Sie kennen die Speisewagen mit den leer getrunkenen Kaffeeautomaten und den Vollkornsandwiches im Bistro in- und auswendig, bewegen sich auf Strecken zwischen Meppen und Bielefeld und summen sich mit „Wein’ nicht um mich Wilhelmshaven“ im Ibis-Hotel an der Autobahn in den Schlaf.

„Dreifache Bedrohung“

Immer wieder ging es um die „dreifache Bedrohung“, singen, spielen, tanzen. Dresscode an diesem Abend: anything goes. Es gibt aber auch eine andere Seite. Die bekommt der Zuschauer zu sehen, wenn er vor der Bühne sitzt, die glanzvolle, emotionale, die aus den wenigsten Mitteln noch große Erlebnisse macht. Das zeigte eindrucksvoll der Auftritt von Nini Stadlmann von der Berliner Stammzellformation. Das Drei-Personen-Ensemble war mit „Alma und das Genie“ nominiert. Den Preis für „Beste Liedtexte“ trug Tom van Hasselt davon, dafür gab es für die Partnerin eine stehende Ovation für die gesungenen Leiden der Musicaldarstellerin, die noch bei Bewerbungen für geringste Dienstleistungen scheitern muss: „Sie putzen zu oberflächlich.“

„Kannst du denn wirklich nur an Fußball denken?“

Überhaupt machten die Kostproben Lust auf Musicals, zum Beispiel auf „Das Wunder von Bern“, eine Stage-Produktion, die aus Hamburg sicher auch mal nach Berlin exportiert wird. Elisabeth Hübert sang nicht nur sehr schön das Lied „Kannst du denn wirklich nur an Fußball denken?“. Sie bekam auch den Preis als beste Nebendarstellerin und hätte, wenn es ihn denn schon gäbe, den Publikumspreis für die knackigste Danksagung ebenfalls davongetragen. Für die Kinder aus dem Musical gab es die lustigste Laudatio inklusive einer kleinen Futterneid-Einlage des älteren Kollegen auf deren Pommes-Flatrate in der Theaterkantine. Vielfach prämiert wurde das Stück „Gefährliche Liebschaften“ aus München. Vielleicht wird man sich in zehn oder 20 Jahren an die kleinen, bescheidenen Anfänge erinnern. Daran, wie Moderatorin Katharine Mehrling sang „Ich bin ein Star in Castrop-Rauxel“, bevor aus den Anfängen in der Provinz tatsächlich ein glanzvolles Genre emporwuchs, ein Broadway im Revier.

"Warum haben die Künstler kein besseres Leben?

Wie auch beim ebenfalls noch relativ jungen Deutschen Schauspielerpreis konnte man sich hier schon manchmal fragen, warum die Künstler kein besseres Leben haben. Manches ist ausbaufähig, das ist bei ersten Malen so. Der einsame Garderobier, der die Schlange nur mühsam abarbeiten konnte, weil er sich jedes Mal bücken musste, um für die 1,50 Euro Gebühr Wechselgeld auf die ihm entgegengestreckten Scheine herauszukramen, könnte sicher Verstärkung brauchen.

Und ein paar Sponsoren wären auch nicht schlecht. Die Deutsche Bahn drängt sich da geradezu auf, weil sie schon in diesem Jahr unentwegt erwähnt wurde, und nicht nur, weil ihr mancher pünktliche Vorstellungsbeginn zu danken ist. Ein Schwung Vollkornsandwiches aus dem Bordbistro, dazu der gute Rotkäppchen-Sekt aus dem Speisewagen, könnten den Gästen den Abend sicher authentisch erscheinen lassen. Der bei ähnlichen Veranstaltungen obligatorische Limousinenservice hat dann vielleicht noch Zeit bis zur dritten Preisverleihung.

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