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Tissy Bruns

© Uwe Steinert

Tissy Bruns: Langsame Bohrer, schnelle Schützen

Politiker und Journalisten leben in Berlin in einer seltsamen Symbiose. Darüber schreibt Tissy Bruns in ihrem Buch "Republik der Wichtigtuer". Jetzt hat sie im Tagesspiegel-Salon daraus gelesen.

Es wirkt alles sehr geheimnisvoll: Die Kamera zoomt von außen durch ein Fenster. Dort sieht man Politiker und Journalisten bei einem vertraulichen Gespräch. Sie heben die Hände in die Höhe. Eine wichtige Abstimmung? „Tatsächlich ermittelt auf diese Weise die Kellnerin, wer Salat, wer Eintopf und wer Nudeln bestellen will“, liest Tissy Bruns, Leiterin der Tagesspiegel-Parlamentsredaktion. Der Film, von dem sie berichtet, heißt „Strippenzieher und Hinterzimmer. Meinungsmacher im Berliner Medienzirkus“. Die Anekdote dazu stammt aus Bruns’ Buch: „Republik der Wichtigtuer" (Herder, 222 Seiten, 19,90 Euro). An diesem Abend stellt sie es im Löwenpalais in Grunewald Tagesspiegellesern vor.

Die Wichtigtuer, das sind Politiker und Journalisten in Berlin – und sie leben in einer engen, seltsamen Symbiose. „Wir sitzen irgendwie in einem Boot, sind gemeinschaftliche Verlierer in der beschleunigen Medienwelt, aber das löst keine Sympathien aus“, sagt Tissy Bruns in der Diskussion mit Hermann Rudolph, Herausgeber des Tagesspiegels und Moderator der Veranstaltung.. „Wir können jeden Hinterbänkler berühmt machen“, sagt Bruns. „Aber wir sind gewissenlos: In einem Moment machen wir ihn zum Helden, im nächsten lächerlich.“

„Man weiß nicht genau, wer von beiden der Parasit ist“, sagt Rudolph. In den Zeiten des Internets gehe es Journalisten nur noch darum, in immer schnellerer Folge Statements von Politikern zu veröffentlichen, sagt Bruns. Und vor lauter Schnellschüssen und „klitzekleinen Bildern“ verschwimme dabei das große Ganze. Politiker und Journalisten lebten in einer Scheinwelt, sagt Bruns. In ihrer Seifenblase in Berlin-Mitte. Ihre tatsächliche Macht sei viel geringer, als sie selbst glaubten. „Es gibt eine große Kluft zwischen dem, was in den Zeitungen steht und dem, was die Leute denken. Und die Gemeinsamkeit der Fernsehnation ist für die Politiker verloren gegangen.“ Trotz alledem habe sich aber eins seit der Adenauer-Zeit kaum verändert: Politik sei immer noch ein langsames Bohren dicker Bretter, zitiert sie den Soziologen Max Weber.

Für Beständigkeit sorgt bei der Veranstaltung die Cateringfirma eßkultur: Sie serviert „regionale Bio-Küche, die hält, was sie verspricht“ – Steckrüben-Suppe, Bouletten und Gemüse aus Brandenburg. „Mal sehen wie es weitergeht in unserer schnelllebigen Zeit“, sagt Tagesspiegelleserin Ellen Metcalf nach der Lesung und nimmt sich ein Stück Zitronentarte – die ist ein guter Beweis dafür, dass sich nicht alles durchs Internet verändert. Denn das Rezept stammt aus der Zeit von Königin Louise. Daniela Martens

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