zum Hauptinhalt
Hinter Gittern: Zum Zug geht's nur durch diese Pforte.

© Jörn Hasselmann

Tod einer 15-Jährigen am Bahnhof Wünsdorf: Prozess gegen Fahrdienstleiter soll beginnen

2010 starb ein 15-jährigen Mädchens auf dem Bahnhof Wünsdorf. Seither wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Am Dienstag könnte auch der Prozess gegen einen Fahrdienstleiter beginnen. Sicher ist das aber nicht.

Zweieinhalb Jahre nach dem Tod eines 15-jährigen Mädchens auf dem Bahnhof Wünsdorf könnte am Dienstag der Prozess gegen einen Fahrdienstleiter der Bahn beginnen. Sicher ist das aber nicht. Da Lutz T. sich erneut krank gemeldet hat, hat das Amtsgericht Zossen eine neuerliche Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit veranlasst. Ein Ergebnis soll erst am Montag vorliegen, sagte eine Gerichtssprecherin. Schon der erste Verhandlungstag am Donnerstag war geplatzt, da sich T. krank gemeldet hatte. Die Mutter der getöteten Caroline wirft dem Fahrdienstleiter unterdessen vor, „einen auf krank zu machen“. „Das ganze Spiel betreibt der aus Feigheit bereits seit einem Jahr“, heißt es auf der Facebook-Seite von Cathrin P.

Tatsächlich hat die Justiz nach Angaben einer Gerichtssprecherin bereits am 30. September 2011 Anklage gegen T. wegen fahrlässiger Tötung erhoben. Dem Eisenbahner wird vorgeworfen „die erforderliche Sorgfaltspflicht nicht gewahrt“ zu haben. Der Prozess begann jedoch nicht nach der Anklageerhebung, da ein Gutachter dem Eisenbahner Verhandlungsunfähigkeit attestiert hatte. Da zuletzt ein weiterer Gutachter das Gegenteil feststellte, sollte der Prozess nun im August beginnen.

Mädchen stolperte vor einen Zug

Der Unfall am Nikolaustag 2010 hatte Schlagzeilen gemacht. Denn das Mädchen stolperte auf einem 1,90 Meter schmalen Bahnsteig vor einen durchrasenden Zug. Doch auf diesem nicht nur schmalen, sondern auch baufälligen Bahnsteig hätte sie gar nicht stehen dürfen. Der Fahrdienstleiter darf Reisende nur auf den Mittenbahnsteig lassen, wenn ein Zug nach Berlin hält – und dann darf zudem kein Zug aus Berlin kommen.

Dem Vernehmen nach stand zum Unfallzeitpunkt an diesem Abend das elektrisch zu betätigende Tor jedoch offen. Caroline wartete um 18.44 Uhr auf den Regionalexpress nach Berlin. Doch ihr Zug hatte Verspätung. Stattdessen raste ein anderer Zug auf diesem Gleis mit Tempo 120 durch die Station. Caroline machte vor Schreck einen Schritt rückwärts und stolperte dann. So erzählte später ein neben Caroline stehender Fahrgast. In diesem Moment raste auch auf dem zweiten Gleis ein Zug durch. Caroline war sofort tot.

Im Juli 2011 hatte die Staatsanwaltschaft Potsdam mitgeteilt, dass die Bahn keine Schuld trifft. Zuvor waren die Anlagen intensiv untersucht und sogar von einem Hubschrauber vermessen worden.

Bahn hat Sicherheit nach dem Unfall deutlich erhöht

Trotzdem hat die Bahn in Wünsdorf die Sicherheit nach dem Unfall deutlich erhöht. So wurde längs auf dem sogenannten Hausbahnsteig – vor dem Empfangsgebäude – über mehrere hundert Meter ein Zaun gebaut. Hier halten die meisten Züge aus und nach Berlin, nämlich 30 der täglich 60 Züge. Wer auf Gleis 7 einsteigt, muss nicht mehr durch das Tor hindurch; der Fahrdienstleiter hat also nicht mehr so viel Arbeit mit dem Öffnen des Tores.  Auf Gleis 2 an dem gefährlich schmalen Bahnsteig halten täglich nur noch 14 Züge, auf Gleis 1 sind es 15. Zudem wurde eine Videoanlage installiert, drei Kameras erfassen die Bahnsteige, die Farbbilder laufen im kleinen Stellwerk auf einem Monitor zusammen ein, berichtete ein Eisenbahner.

Das Tor zum Mittelbahnsteig wird nur geöffnet, wenn ein Zug an Gleis 1 oder 2 hält. „Verlassen Sie bitte den Bahnsteig“, brüllte der Fahrdienstleiter am Freitagmittag einen älteren Mann an. Dieser war nach dem Aussteigen aus dem Zug zunächst stehen geblieben, weil er seinen Bus suchte. Wartende bestätigten am Freitag, dass das Tor nicht mehr offen stehe. Im Dezember 2010 war das noch anders, mehrere Wünsdorfer hatten berichtet, dass der Bahnsteig oft zugänglich war.

Auf dem Bahnsteig selbst hat die Bahn nichts geändert, nur die weiße Linie auf dem Boden wurde neu gestrichen. Carolines Mutter hatte später gesagt, dass ein Zaun auf diesem Bahnsteig den Unfall verhindert hätte. Die bröckelnde Kante zu Gleis 1 ist unverändert, einen Zaun zur Sicherheit gibt es weiterhin nicht. Dabei wird diese Bahnsteigkante seit langem nicht mehr benutzt. Heutzutage dürften derart schmale Bahnsteige nicht gebaut werden, doch Wünsdorf hat als Altanlage Bestandsschutz. Der Fahrgastverband „Pro Bahn“ hatte die Wünsdorfer Anlage als ungeeignet kritisiert. „Man muss sich erschrecken dürfen, ohne auf der anderen Seite ins Gleis zu fallen“, hatte Pro-Bahn-Sprecher Matthias Oomen damals gesagt. Cathrin P. schloss sich nach dem Tod ihrer Tochter einem Verein an, der sich für mehr Sicherheit bei der Bahn einsetzt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false