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Berlin: Tod eines Blumenhändlers: Komplize beschuldigt Haupttäter

Angeklagter bestreitet direkte Beteiligung an Raubmord in Lichtenberg

Äußerlich gefasst saß Geschäftsfrau Claudia J. im Gerichtssaal. Sie hörte die Version des Angeklagten, dann Tatortbeschreibungen von Polizisten. Sie ließ sich nicht anmerken, dass sie den blutigen Raubüberfall vom 7. April letzten Jahres bis heute nicht verarbeitet hat. Sie ist seitdem arbeitsunfähig. Die psychische Belastung ist zu groß. Sie wurde durch Schläge und einen Durchschuss in Hüfthöhe verletzt. Der Mann, der den Überfall zufällig beobachtet hatte und ihr zu Hilfe eilen wollte, bezahlte seinen Mut mit dem Leben. Sie kannte den 66-jährigen Kurt H. Er war wie sie im Blumenhandel tätig.

Für den Raubüberfall in der Lichtenberger Bernhard-Bästlein-Straße steht seit gestern der Bulgare Halil H. vor dem Berliner Landgericht. Die Anklage geht davon aus, dass er mit seinem untergetauchten Landsmann Georgi B. geplant hatte, der 49-jährigen Frau auf dem Weg zur Sparkasse ihren Geldkoffer zu rauben. Sie sollen zuvor ausgekundschaftet haben, dass Claudia J. jeden Montag die Einnahmen aus einem gemeinsam mit ihrem Sohn geführten Blumengroßhandel zur Bank bringt.

Der noch immer flüchtige Georgi B. schoss laut Anklage ohne Vorwarnung, schlug dann mit der Waffe auf Claudia J. ein. Doch plötzlich war da Kurt H. Er hatte den Überfall von einem anderen Blumengeschäft aus, in dem er arbeitete, beobachtet. Entschlossen eilte er der Frau zu Hilfe. Der Räuber drückte kaltblütig ab und entkam mit dem Geldkoffer mit 45 000 Euro. Halil H. saß während der ganzen Zeit im Fluchtauto. Er muss sich nun wegen versuchten Raubmordes an Claudia J. verantworten. Um den Tod des Helfers aber geht es in diesem Prozess nicht. Weil der Mord an Blumenhändler Kurt H. im gemeinsam gefassten Tatplan nicht vorgesehen gewesen sei, hieß es.

Welche Rolle spielte der 35-jährige Halil H.? Er war im Juli letzten Jahres festgenommen worden und hatte bei der Polizei widersprüchliche Angaben gemacht. Erst wusste er angeblich gar nichts. In anderen Protokollen steht, er habe von Georgi B., genannt „Petschu“, gehört, dass dieser einer Frau einen Geldkoffer wegnehmen wolle. Im Prozess sagte er: „Die Anklage trifft so nicht zu. Ich habe vorab nicht gewusst, was geschehen sollte.“ Er habe an jenem Morgen ahnungslos im Auto gewartet, meinte der Angeklagte. Weil er angeblich mit „Petschu“ und einem weiteren Bulgaren in seine Heimat fahren wollte, um seine kranke Mutter zu besuchen. Plötzlich sei „Petschu“ aufgeregt mit einem Koffer angerannt gekommen. Er soll gebrüllt haben: „Fahr los, ich habe gerade einen Menschen umgebracht.“ In diesem Moment habe er gefühlt, „dass ich in eine unklare, aber schlimme Sache geraten bin“. Nach nur 150 Metern sei er ausgestiegen. Weil er Platz machen sollte für einen anderen Bulgaren.

Ist Halil H. wirklich unwissend ins Geschehen gezogen worden? Er kannte Claudia J. vom Großhandel in der Beusselstraße. Der gelernte Schlosser, der zuletzt von Sozialhilfe lebte, hatte dort mehrere Jahre als Aushilfe gearbeitet. Er könnte derjenige gewesen sein, der den anderen von der Frau aus Lichtenberg erzählte. Nun sitzt er im Gerichtssaal und spricht von Angst vor Rache. „Petschu“ habe ihm angedroht: „Wenn du etwas sagst, erschieße ich dich wie einen Hund.“ Er habe erfahren, dass seine in Bulgarien lebende Familie bereits bedroht worden sei, sagte der Angeklagte und beteuerte: „Das, was ich jetzt alles gesagt habe, ist die Wahrheit.“ Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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