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Die Polizei sucht nach dem Mörder von Recep Aksu.

© Polizei

Todesschüsse in Kreuzberg: Polizei steht ohne Zeugen da

Zahlreiche Menschen waren in der Großbeerenstraße, einige halfen dem Opfer Als die Kripo eintraf, waren sie verschwunden. Zahl der Morde 2011 gestiegen.

Wenige Tage vor Weihnachten hat die Mordkommission einen neuen, mysteriösen Fall aufzuklären. Mit mehreren Schüssen ist ein 46-Jähriger am Samstagabend vor der Postbankzentrale in Kreuzberg getötet worden. Das Motiv ist nach Angaben der Mordkommission völlig unklar. Zahlreiche Zeugen sollen gegen 17.40 Uhr am Tatort gewesen sein und auch versucht haben, dem Sterbenden zu helfen – doch fast alle verschwanden vor Eintreffen der Kripo. Ein Notarzt kämpfte fast eine Stunde vergeblich um das Leben des Mannes. Recep Aksu, ein im Bezirk Mitte lebender Türke, starb auf dem Gehweg neben einem Straßenbaum.

Da die Polizei bislang keine Verdächtigen und keine Zeugen hat, dürfte der Fall für die Ermittler vor allem eines bedeuten: viel Arbeit. Im Jahr 2011 ist die Zahl der Fälle für die acht Mordkommissionen ohnehin deutlich gestiegen, wie ein Beamter sagte. „Wir kommen mit der Arbeit kaum hinterher.“ Genaue Zahlen für das laufende Jahr konnte das Präsidium am Sonntag nicht nennen. 2010 mussten 122 Taten bearbeitet werden – diese Zahl dürfte in diesem Jahr kaum zu halten sein. Kriminalbeamte berichten übereinstimmend von einer sehr hohen Arbeitsbelastung. Dass die Zahl der Fälle gestiegen ist, liegt auch an den spektakulären Gewalttaten in U-Bahnhöfen. So wurden zum Beispiel die – aufgeklärten – Überfälle auf einen Maler in Lichtenberg und durch einen Schüler in der Friedrichstraße wegen der Schwere der Tat von einer Mordkommission übernommen. Auch in zwei andere Aufsehen erregende Taten waren die Ermittler aus der Schöneberger Keithstraße eingeschaltet: Der Brandanschlag auf eine Friedrichshainer Polizeiwache im April und die Brandstiftung in einem Wohnhaus an der Neuköllner Sonnenallee im März. Drei Menschen, darunter ein Säugling, waren dabei ums Leben gekommen. Beide Fälle wurden bislang nicht geklärt. Experten erwarten, dass angesichts mehrerer offener Fälle die Aufklärungsquote in diesem Jahr etwas niedriger liegen dürfte als in den Vorjahren. 2010 klärten die Ermittler 97 Prozent der Mordfälle auf. In der Regel handelte es sich um Beziehungstaten. Schnell geklärt waren in diesem Jahr auch drei Fälle, bei denen Väter oder Mütter ihre Kinder, darunter zwei Neugeborene, getötet hatten.

Offen ist, ob es der Kripo gelingt, den jüngsten Mord noch in diesem Jahr aufzuklären. Ausgeschlossen wird nach derzeitigem Ermittlungsstand, dass das Mordopfer Aksu in Drogenhandel oder organisierte Kriminalität verstrickt war und deshalb sterben musste. Der Mann ist wegen mehrerer Straftaten der Polizei bekannt, darunter Körperverletzung, Nötigung und Sachbeschädigung; das von der Kripo am Sonntag veröffentlichte Bild ist ein Polizeifoto. Es seien aber keine gravierenden Taten darunter gewesen, hieß es.

Vermutlich war es ein einzelner Täter, der Aksu in der Großbeerenstraße niederschoss. Er soll zu Fuß in Richtung Stresemannstraße geflüchtet sein. Die Polizei dementierte Gerüchte, dass sich zwei Männer zuvor dort mit Aksu gestritten hätten. Ermittelt wird nun vor allem im privaten und geschäftlichen Umfeld des Mannes. Aksu lebte lange in Berlin, hatte hier seinen Hauptschulabschluss gemacht, er war nicht verheiratet. Wo er arbeitete, teilte die Kripo nicht mit, zunächst sollte dieses Umfeld überprüft werden, hieß es im Präsidium. Dem Vernehmen nach hatte sich der Mann kürzlich selbstständig gemacht mit dem Verkauf von Massagegeräten. Aufgefallen ist diese Firma vor allem durch zahlreiche Stellenanzeigen im Internet.

Was das Opfer im eher ruhigen Teil der Großbeerenstraße wollte, ist unklar. Keine Hinweise gibt es darauf, dass Aksu zuvor in der Post Geld abgehoben hatte und beraubt wurde. Die Tatwaffe wurde ebenfalls nicht gefunden, auch am Sonntag suchten Beamte auf dem großen Parkplatz und in der Tiefgarage der Postbankzentrale nach Spuren. Die 2. Mordkommission versucht jetzt, vor allem die Zeugen ausfindig zu machen, die Erste Hilfe geleistet haben – und eine französisch sprechende Frau, die am Tatort vorbeigelaufen sein soll (Hinweise unter Telefon 4664 91120).

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