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Berlin: Tödliche Fehler im Cockpit

Vor einem Jahr stürzte ein Luxair-Flugzeug ab. Der Untersuchungsbericht soll Mitte Dezember vorliegen

Flug LG 9642 startete um 8.43 Uhr am Flughafen Tempelhof Richtung Luxemburg, gegen 10.10 Uhr brach der Funkkontakt ab, die Turbopropmaschine der Linie Luxair stürzte im Anflug auf den Flughafen Findel ab, 20 der 22 Menschen an Bord starben. Das war am 6. November 2002, vor einem Jahr. Wieso es zu der Tragödie kam, ist bis heute nicht völlig geklärt. Voraussichtlich am 15. Dezember wollen die Luxemburger Behörden den Abschlussbericht der Untersuchung veröffentlichen.

Doch schon jetzt gilt als wahrscheinlich, dass die Piloten der zweimotorigen Fokker 50, Claude P. (26) und John A. (32), einen gravierenden Fehler gemacht haben. Die Untersuchung ergab nämlich, dass die Propeller auf Schubumkehr geschaltet waren, was nur am Boden zulässig ist. Die plötzliche Bremswirkung führte zu einem abrupten Verlust von Geschwindigkeit und Höhe. Danach setzten beide Motoren aus. Wie sich herausstellte, hatte die Herstellerfirma bereits Jahre zuvor unverbindliche Modifikationen der Sicherheitssysteme vorgeschlagen, die eine versehentliche Änderung des Anstellwinkels der Propellerblätter während des Fluges verhindern sollten. Doch erst nach dem Unfall wurde daraus eine verbindliche Sicherheitsanweisung.

Flugkapitän P., der bei dem Absturz im Cockpit eingeklemmt wurde und schwere Rückenverletzungen erlitt, kann sich nach Angaben seines Rechtsanwaltes an nichts erinnern, sagte Luxair-Sprecher Marc Gerges dem Tagesspiegel. Er sei körperlich wieder hergestellt, aber leide nach wie vor psychisch stark unter dem Geschehen. Der Generaldirektor der Fluggesellschaft, Christian Heinzmann, hatte in der Vergangenheit gegenüber Luxemburger Medien erklärt, die Hinweise auf einen Pilotenfehler hätten sich verstärkt. Der Entwurf des Berichtes liegt den beteiligten Firmen und Behörden gegenwärtig zur Kommentierung vor. Anfang Dezember endet die Frist zur Stellungnahme, hieß es bei der deutschen Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung.

Nach dem bereits im Januar veröffentlichten Zwischenbericht hatten die beiden Piloten wegen des schlechten Wetters zunächst durchstarten wollen, sich in letzter Sekunde dann aber doch zur Landung entschlossen. Alles schien normal. Dann sagte P.: „Was ist das?“, das waren die letzten Worte, die auf dem Cockpit-Tonband zu hören sind. 23 Sekunden später stürzte die Maschine ab.

Die Angehörigen der Opfer erhielten laut Luxair über deren Versicherung innerhalb weniger Wochen die ihnen gesetzlich zustehenden Abfindungen von mindestens 20000 Euro. Der einzige überlebende Passagier ist der 37-jährige Franzose Jean-Daniel B., der in Berlin-Mitte lebt. Er hatte auf dem linken Fensterplatz in der drittletzten Reihe gesessen und dem Vernehmen nach vor dem Absturz nichts ungewöhnliches bemerkt. Er hält sich zur Zeit nicht in Berlin auf.

Luxair habe nach den Unglück die ohnehin hohen Sicherheitsstandards noch einmal intensiviert, erklärte Marc Gerges. Dennoch kam es am 23. September zu einem erneuten Unfall. Aus ungeklärter Ursache kam in Luxemburg ein Jet nach der Landung von der Piste ab, durchbrach einen Zaun und blieb an einem Abhang stehen. Die Fluggäste kamen mit dem Schrecken davon.

Auch die Ursache für den Absturz der in Tegel gestarteten Crossair-Maschine vor knapp zwei Jahren beim Landeanflug auf Zürich ist noch unklar. Am 24. November waren in den Trümmern des Avrojets 21 der 28 Passagiere und drei der fünf Besatzungsmitglieder gestorben, darunter die Sängerin Melanie Thornton. Das Flugzeug hatte bei schlechter Witterung eine Piste ansteuern müssen, die über kein Instrumentenlandesystem verfügte und war dabei zu niedrig geraten. Die Züricher Hauptlandebahn konnte wegen einer Verspätung nicht mehr benutzt werden, weil hier wegen des Streits um die Anflüge über die Schwarzwaldgemeinden von deutscher Seite kurz zuvor ein Nachtflugverbot verhängt worden war.

Rainer W. During

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