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Berlin: Tötungsdelikt nur kurz gemeldet Über die Kriterien der türkischen Blätter bei der Auswahl der Nachrichten

Eine türkische Mutter mit fünf Kindern wird in Berlin von ihrem türkischen Mann umgebracht – möglicherweise aus verletzter Ehre, weil sie ihn verlassen hatte. Die deutschsprachigen Zeitungen in der Hauptstadt berichteten groß über den Fall der Meryem Ö.

Eine türkische Mutter mit fünf Kindern wird in Berlin von ihrem türkischen Mann umgebracht – möglicherweise aus verletzter Ehre, weil sie ihn verlassen hatte. Die deutschsprachigen Zeitungen in der Hauptstadt berichteten groß über den Fall der Meryem Ö. Ausgerechnet die türkischen Blätter aber brachten nur kurze Meldungen oder berichteten gar nicht über den aufsehenerregenden Fall. Das verwundert auch manch einen Leser von türkischen Zeitungen.

„Türkin in Berlin wurde erwürgt“, lautet die Überschrift der Meldung der religiösen Tageszeitung Zaman. Aber immerhin stand der kurze Text auf der zweiten Seite der Ausgabe am Donnerstag, wo auch die Nachrichten und Berichte über die Tsunami-Katastrophe in Südasien platziert waren. „Die Polizei gab an, dass die Ermittlungen noch andauern und dass der Ehemann von Meryem Ö. gesucht wird“, heißt es weiter. Die ebenfalls religiöse Tageszeitung Türkiye berichtete über zahlreiche andere Mordfälle, jedoch nicht über diesen spektakulären Fall. „Wir haben im Moment in Berlin personelle Engpässe“, begründete ein Redakteur der Zeitung in der Deutschland-Zentrale in Mörfelden-Walldorf auf die Frage nach den Prioritäten bei der Auswahl der Nachrichten. „Über die beiden Türken, die jetzt in Berlin vor Gericht stehen, weil sie ihre Ehefrauen umgebracht haben, haben wir zum Beispiel berichtet“, sagte er.

Auch die auflagenstarke Hürriyet, die als einzige türkische Zeitung in Berlin ein eigenes Büro in der Friedrichstraße hat, brachte nur drei kurze Meldungen, eine davon mit einem Foto von der getöteten Frau. „Überall in Europa werden fast täglich Menschen umgebracht. Wieso sollen wir ausgerechnet über diesen Fall groß berichten“, begründete ein Mitarbeiter die kleine Aufmachung der Texte. „Wir setzen andere Prioritäten“, sagte auch der Berlin-Reporter der liberaleren Tageszeitung Milliyet, die gar nicht über den Fall berichtet hat.

Über die Türken, die in der vergangenen Woche aus allen europäischen Städten zur Pilgerfahrt nach Mekka aufgebrochen sind, berichteten die Zeitungen dagegen größer und mit Vor-Ort-Berichten. Aber auch alles, was in der CDU zum Thema EU-Beitritt der Türkei und der Integration der Türken in Deutschland diskutiert wird, ist in türkischen Blättern immer ein Thema, weil es dazu viel Agenturmaterial gibt. Ein Schreiber der religiösen Türkiye kommentierte am Sonnabend dieses Thema: „Ich verstehe nicht, wenn eine Partei, die den Zusatz ’christlich’ in ihrem Namen trägt, gegen andere Menschen, insbesondere gegen die Türken ist.“

Suzan Gülfirat

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