zum Hauptinhalt
Spatzen

© dpa

Toleranz: Spatzenhirne gibt es überall

Spatzen auf der Straßen wollen einen Wellensittich vertreiben. Unser Autor gerät über Intoleranz und Verdrängungstendenzen im Vogelreich ins Grübeln.

Vollversammlung auf den kahlen Ästen eines Straßenbaums vor dem Restaurant Neumond in der Tieckstraße in Mitte. Sie tschilpen und kreischen, die Spatzen, es geht zu wie auf einem Bürgerforum oder beim Damen-Kränzchen mit Sahne. Mitten im Pulk der Sperlinge, die sich gerade über die politische Lage zu echauffieren scheinen, sitzt ein hell gefiederter, viel größerer Vogel, kein Papagei, aber auch kein Kanarienvogel, wohl etwas dazwischen: ein Wellensittich. Stolz spricht aus seiner Haltung, wie er so dasitzt und herablassend auf die grau-braune Vogelschar schielt.

Hau ab!

Die versucht nun, den Welli aus ihrem Kiez zu vertreiben. Was hat der auf unserem Baum verloren? Schon diese Klamotten! Unmöglich! Viel bunter als wir. Hau ab! Flieg, du fetter Vogel. Vielleicht um die Ecke in den vierten Stock, wo eine Oma gerade um ihren gefiederten Freund Tränen vergießt? Vielleicht ist Welli froh, endlich frei zu sein. Oder er weiß nichts mit der neuen Freiheit anzufangen. Jedenfalls: Nach fünf Minuten ist er wieder auf dem Baum – und alle anderen sind weg. 1:0 für Welli.

Da fällt mir ein, was Gerhard Schöne zu diesem Thema singt: Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog / hackte eine Schar von Spatzen auf ihn ein / denn er sang wohl etwas anders und war nicht so grau wie sie / und das passt in Spatzenhirne nicht hinein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false