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Berlin: Topographie der Vergeudung

Die Pleite um das Dokumentationszentrum wäre vermeidbar gewesen: 1990 entschied der Senat richtig

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Zur „Topographie des Terrors“ wurde schon 1990 das Richtige gesagt und beschlossen. Nur hat sich niemand daran gehalten.Damals beschwor der rot-grüne Senat die Bundesregierung, „wegen der außerordentlich hohen deutschlandpolitischen Bedeutung das frühere Gestapo-Gelände als nationale Aufgabe zu behandeln“. Für diesen Beschluss wurde die Landesregierung von allen Seiten heftig gescholten; sie wolle ihre Verantwortung für die Gestaltung des Geländes an den Bund abschieben. Die Koalitionsfraktionen SPD und Alternative Liste (AL) bekamen weiche Knie und zwangen den Senat in einem Parlamentsbeschluss, „die Federführung Berlins sicherzustellen.“

Das kam der Bundesregierung sehr entgegen, die sich erst jetzt – 14 Jahre später – zu ihrer Hauptverantwortung für die Topographie bekennt und Bauträger des Dokumentationszentrums wird. Gleichzeitig wird der aufwändige, unbezahlbare Entwurf des Architekten Peter Zumthor verworfen. Auch mit großer Verspätung. Denn schon kurz nach dem Mauerfall wurde von fachkundiger Seite eine bescheidene Bauplanung vorgeschlagen. So schrieb Heinz Galinski als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde am 21. Juni 1990 an die Kulturverwaltung: „Die Lehren, die aus der Vergangenheit zu ziehen sind, bedeuten jedoch auch, dass hier kein neuer Monumentalbau entstehen darf... Erforderliche Ergänzungsbauten sollten den vorhandenen Informationswert (des Geländes) unterstreichen.“

Auch die Fachkommission, die sich im Auftrag des Senats mit der künftigen Nutzung des Geländes befasste, schlug im März 1990 nur eine „Randbebauung an der Anhalter Straße“ vor, um den Gesamteindruck des Topographie-Areals nicht zu beeinträchtigen. Stattdessen wurde ein Dokumentations- und Begegnungszentrum geplant, dass durch seine einzigartige Architektur glänzen sollte. 1991 meldete die Kulturverwaltung dafür 10,7 Millionen Euro Investitionsmittel an. Ohne einen Bauentwurf, ohne ein Bedarfsprogramm vorzulegen. Ein Jahr später, als man ungefähr wusste, was gebaut werden sollte, schätzte die Bauverwaltung die Kosten schon auf 23,5 Millionen Euro. Die Finanzverwaltung protestierte. Das hinderte den Senat nicht daran, im Dezember 1992 einen Wettbewerb auszuloben. Der Schweizer Architekt Zumthor gewann den 1. Preis mit einem Entwurf, der bau- und materialtechnisch völliges Neuland beschritt.

Jetzt sah sich die Bauverwaltung überraschend in der Lage, auf 21,9 Millionen Euro herunterzugehen. Die Finanzverwaltung stellte in die Finanzplanung nur 18,4 Millionen Euro ein und im Juni 1993 rutschten die geschätzten Baukosten sogar auf 18,1 Millionen Euro ab. Drei Jahre später, als die Bauplanungsunterlagen vorlagen, waren es wieder 23 Millionen Euro. Ständig wurde an der Nutzung und Ausstattung des Gebäudes herumgebastelt und mit der Baufirma stritt sich der Senat über Montagezeiten und -kosten für die Konstruktion aus feinen Betonstäben und Glas. Der Rechnungshof sah sich erstmals veranlasst, auf die „erheblichen Unsicherheiten“ bei der Kostenermittlung hinzuweisen.

Das nutzte nichts. Mit den Treppentürmen wuchsen auch die Baukosten in den Himmel. Im Jahr 2000 musste die Bauverwaltung den Offenbarungseid leisten: 46 Millionen Euro. Erschrocken setzte der Senat eine „Arbeitsgruppe zur Kostenbegrenzung“ ein. Man feilte an diesem und jenem herum: 38,8 Millionen Euro blieben trotzdem übrig. Kein Cent mehr dürfe es werden, forderte das Parlament, das sich verschaukelt fühlte. Denn erst im November 2000 hatte die Bauverwaltung in einer Vorlage an den Hauptausschuss das „fragile System“ der doppelten Fassade und doppelten Decken und Böden problematisiert, kombiniert mit einem „dichten Stabwerk aus vertikalen Betonstützen und horizontalen Betonriegeln“. Diese Konstruktion sei „nach ästhetischen Kriterien optimiert“ worden. Eine Optimierung nach wirtschaftlichen Kriterien sei nicht erfolgt.

Eine Kündigung des Architektenvertrags liege aber nicht im Interesse Berlins, weil sonst unkalkulierbare Kosten auf das Land zukämen und eine Bauruine drohe, warnte die Bauverwaltung. 2002 blieb dem Rechnungshof nur übrig, minutiös die „Fehler und Versäumnisse der für Bauen und Kultur zuständigen Senatsverwaltungen“ im Zusammenhang mit dem Zumthor-Bau aufzulisten. Ein weiteres Jahr ging ins Land; dann endlich einigte man sich mit dem Architekten auf eine einfachere Baukonstruktion. Aber: das Kostendämpfungskonzept für das Dokumentationszentrum kam zu spät. Der Bund und Berlin zogen die Notbremse.

Peter Zumthor

wird vom Land Berlin möglicherweise Schadensersatz einklagen. Der Schweizer Architekt, der 1993 den Zuschlag für den Bau eines Dokumentationszentrums für die „Topographie des Terrors“ erhielt, sprach von einer Million Euro, die ihm zustehen. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) lässt den Vertrag mit Zumthor juristisch prüfen und hofft dem Vernehmen nach auf eine gütliche Einigung. „Was ihm zusteht, wird der Architekt bekommen“, sagte eine Sprecherin der Verwaltung.

Hans Stimmann (SPD) war von 1991 bis 1996, und dann wieder ab 1999 Senatsbaudirektor in Berlin und hat sich von Anfang an für den Zumthor-Entwurf stark gemacht. Gute Architektur zu fördern, ist auch sein Job. Aber sein uneingeschränktes Engagement für den teuren Bau wird Stimmann doch angekreidet, und manche Oppositionspolitiker sehen den Stuhl des umstrittenen Baudirektors wackeln. za

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