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Berlin: Torben P. trat mit weicher Sohle zu

Jugendgerichtshelferin empfiehlt Bewährungsstrafe für U-Bahn-Schläger. Der Täter brauche eine Therapie

Eine Strafmilderung wegen diffamierender und entblößender Presseberichterstattung – früher war es die Ausnahme, heute kommt es öfter vor. Möglich, dass auch der U-Bahn-Schläger Torben P. bei der Strafzumessung durch das Gericht in seinem Urteil davon profitiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Erwachsenenstrafrecht seien Presse-Attacken mildernd zu werten, sagte der Verteidiger Alexander Sättele am Donnerstag vor dem Berliner Landgericht. Dies müsse im Falle des 18-Jährigen Torben P., der gesetzlich als Heranwachsender gilt, erst recht möglich sein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Totschlag vor, weil er im April den 30-Jährigen Markus P. am U-Bahnhof Friedrichstraße niederschlug und viermal gegen den Kopf trat. Mitangeklagt ist der 18-Jährige Nico A. wegen Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung. Er hatte den Helfer Georg Baur angegriffen, der Torben von weiteren Tritten abhielt und ihn in den Schwitzkasten nahm.

Zuvor hatte Sättele davon gesprochen, regionale und überregionale Medien hätten seinen Mandanten in belastender Weise angegriffen. Nicht nur Kriminologen, auch Politiker hätten sich für eine lange Gefängnisstrafe stark gemacht und insbesondere die Entscheidung der Berliner Justiz kritisiert, den Verdächtigen von der Untersuchungshaft zu verschonen. So habe auch Innensenator Erhart Körting gesagt, Torben P. zeige lediglich „die Reue des Ertappten“.

Unmittelbar nach der Tat seien Details über Torben P. an die Öffentlichkeit gedrungen, darunter seine Adresse. Im Internet würden die Videobilder der Tat zum Teil europaweit unter anderem mit Foltervorschlägen für die Angeklagten kommentiert. Es sei zu Fax-Attacken auf den Anschluss der Eltern und zu Demonstrationen vor deren Haus aufgerufen worden.

Der Angeklagte ist mit seinen Eltern mittlerweile umgezogen. Seine frühere Schule hatte auf Druck von Eltern und Lehrern beschlossen, ihm gesonderten Unterricht außerhalb des Schulgeländes zu erteilen. Vor kurzem erwartete ihn auch dort die Presse, so dass eine neue Örtlichkeit gesucht werden musste. Nach Angaben von Verteidiger Sättele hat sich mittlerweile das Berliner Erzbischöfliche Ordinariat bereit erklärt, Torben an einem katholischen Gymnasium aufzunehmen.

Eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe riet dazu, Torben zu einer Haftstrafe auf Bewährung zu verurteilen. Die Strafhöhe dürfte dafür maximal zwei Jahre betragen. Sei empfahl die Anwendung milderen Jugendrechts, Torben sei noch „ein vom Elternhaus abhängiger Schüler“. Eine Verurteilung nach Erwachsenenrecht ist erst ab 21 Jahren zwingend. „Es ist eindrucksvoll, wie viel Torben unternommen hat, um sich mit seiner Tat und sich selbst auseinander zu setzen. Das unterscheidet ihn von typischen Gewalttätern, wie wir sie kennen“, sagte die Sozialarbeiterin. Sie sehe weder Rückfallgefahr noch schädliche Neigungen, lediglich therapeutischen Bedarf. Der junge Mann sei behütet aufgewachsen. Man habe sich um Polizeischutz bemüht.

Torben P. schildert die Sozialarbeiterin als offen und sehr kooperationsbereit. Er habe von sich aus Gespräche und Unterstützung gesucht, sei höflich, konzentriert und aufmerksam. Sein größter Wunsch sei, wieder in einem Klassenverband zur Schule gehen zu dürfen.

Eine rechtsmedizinische Sachverständige bestätigte am Donnerstag, die Verletzungen des Opfers seien „potenziell lebensbedrohlich“ gewesen. Es hätte insgesamt sieben stumpfe Gewalteinwirkungen gegeben. Der Kopf des Opfers sei bei drei Tritten fixiert gewesen, „rein zufällig“ sei es nicht zu schwereren Verletzungen gekommen, etwa einen Schädelbasisbruch oder lebensgefährliche Hirnblutungen. Die Ärztin führte dies auf die flexible Sohle von Torbens Freizeitschuhen zurück, möglicherweise sei der Vorfall deshalb „so glimpflich“ abgelaufen. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

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