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Die Festivalmacher Andreas Gebhard, Andrea Goetzke und Melissa Perales (von links).

© David von Becker

Torstraßenfestival: Rock am Rosenthaler Platz

Die Torstraße in Mitte erhält ein Festival. Am Sonnabend treten hier tagsüber 30 Bands in Clubs auf, die sonst erst abends öffnen.

Igitt, nee, ein Straßenfest auf keinen Fall. Das ist das Letzte, was die drei machen wollen. Die Torstraße sei zwar Namensgeberin des Festivals, sagt Miterfinder Andreas Gebhard, aber das war’s dann auch schon mit Parallelen zu den vielen Sommerveranstaltungen, die Straßen im Namen führen. Am Sonnabend gibt es auf den knapp zwei Kilometern zwischen Prenzlauer Allee und Chausseestraße keine Chinapfanne draußen zu essen, kein Kunsthandwerk zu kaufen oder Karussell zu fahren, sondern drinnen Konzerte von mehr als 30 Livebands zu hören. Und wie es sich für Mitte gehört, sind das keine Coverbands oder Laienchöre, sondern Indie-Bands von hier und anderswo.

Ungewöhnlich daran: Die Bands sind zentral ausgewählt. Und sie treten nicht wie sonst bei Konzerten oder wie im normalen Clubbetrieb im Schutz der Dunkelheit auf, sondern am helllichten Tage, für Indiemusiker und ihre Fans also gleich nach dem Frühstück: von 12 bis 21 Uhr.

Das sei ein neues Format für ein Livemusikfestival in Berlin, sagt Gebhard. „Es bespielt die tagsüber ungenutzten Flächen in den Clubs, die sonst erst abends öffnen.“ Die Idee haben die drei Festivalmacher Andreas Gebhard, Andrea Goetzke und Melissa Perales vom Camden Crawl Festival aus London abgeguckt. „So ein Guerilla Style Music Neighbourhood-Fest wie da soll das hier auch werden“, sagt Melissa Perales. Alle drei haben durch ihre Jobs als Konzeptentwickler und Veranstaltungsmanager mit der Musikszene zu tun. Alle drei sind im Netzwerk „All2gethernow“, ein Verein, in dessen Vorstand Tim Renner sitzt. Und alle drei arbeiten und leben in und an der Torstraße – ein paar Nebenstraßen eingeschlossen. Die krachige, raue Durchgangsstraße mit dem szenigen Herzstück Rosenthaler Platz ist ihre Lieblingsstraße, ihr Berliner Lebensgefühl. Weil sie sich rasant verändert, aber trotzdem noch nicht komplett geglättet ist. So was wie die hässliche Prachtstraße von Mitte alt und neu zugleich.

Das Sankt Oberholz am Rosenthaler Platz, wo drinnen die Jungs vor den Laptops hocken und wo man draußen, wenn die Ampel auf Grün springt, vor lauter Verkehrslärm sein eigenes Wort nicht versteht, ist allerdings mehr Mitte neu. Webdesignertreff eben, das Klischee ist bekannt. Aber: Sonnabend ist hier die Eintritt-frei-Bühne des Festivals, das eh nur zehn Euro pro Eintrittsarmband für alle Clubs kostet. Nicht verkehrt, diese prekariatsfreundliche Preiskalkulation, schließlich geht es den Machern und Mitmachern wie dem Grünen Salon, Kaffee Burger, Schokoladen, CCCP, Gaststätte W. Prassnik, White Trash Fast Food oder Z-Bar nicht nur um die Neugier auf womöglich noch nicht gehörte Musik, sondern auch um die Stärkung des Nachbarschaftsgefühls in und an der Torstraße. Ein bisschen nach dem Motto: Lasst uns die Straße mit ihrem Nebeneinander von Designerläden, Galerien und Jünemanns Pantoffeleck feiern, so lange es diese Mischung noch gibt.

Auch wenn die drei Festivalmacher viel zu sehr auf Internationalität gepolte Mitte-People sind, um offen Gentrifizierungsgegner zu sein, schwingt ein Unbehagen über die fortschreitende Durchsanierung in ihren Sätzen mit. Sie hoffe, dass es politisch gewollt sei, die Mischung in der Torstraße zu erhalten, sagt Andrea Goetzke. „Deswegen wollen wir auch zeigen, dass jetzt noch so alteingesessene Clubs wie Z-Bar oder White Trash da sind.“ Viele Läden und Galerien machen übrigens mit eigenen Ideen mit. Pantoffel Jünemann nicht, die haben samstags zu.
Sonnabend von 12-21 Uhr, Programm: www.torstraßenfestival.de, Tickets für 10 Euro gibt’s im Netz und in den Clubs.

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