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Berlin: Torte für alle

Mit einer fröhlichen Party feierten die Berliner den KaDeWe-Geburtstag, und der Regierende Bürgermeister teilte Stückchen vom Riesenkuchen aus

Sie hat sich zur Feier des Tages noch mal den guten alten Nordlandfuchs umgelegt und den schicken weißen Hut aufgesetzt. Dass sie mit 87 Jahren im Rolls Royce zum KaDeWe chauffiert werden würde, damit hatte Irene Gießmann nicht gerechnet, als sie 1951 in der Wurstabteilung anfing, die sie bis 1980 geleitet hat. Zur großen Party zum 100sten Geburtstag des KaDeWe war sie zusammen mit zwei anderen ehemaligen Mitarbeitern als Ehrengast geladen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit schnitt gemeinsam mit KaDeWe-Chef Patrice Wagner die siebenstöckige Geburtstagstorte an und überbrachte herzliche Glückwünsche „im Namen von 3,4 Millionen Berlinern und auch von mir selbst als Stammkunde“.

Für alle Kunden hatte Patrice Wagner den roten Teppich ausrollen lassen, für sie hatten die führenden Konditoren in nächtelanger Arbeit die mit schönen bunten Marzipanfiguren verzierte Riesentorte gebaut. „Das KaDeWe gehört zu Berlin wie der Eiffelturm zu Paris“, sagte der Vorsitzende der Karstadt-Geschäftsführung, Peter Wolf.

Manche Gäste stimmten spontan „Happy Birthday“ an, andere ließen im Gedränge fröhlich ihre Kameras blitzen, als Wowereit sein Kellnertalent zeigte und mit Kuchentablett und weißer Konditorenjacke durch die Menge ging. In seiner Geburtstagsrede hatte er auch nachdenkliche Töne angeschlagen, hatte an die Mitarbeiter erinnert, „die während der Nazizeit das Haus verlassen mussten und später umgebracht wurden“. Nachdem er sich im Namen aller treuen Stammkunden bei den Mitarbeitern für die gute Betreuung bedankt hatte, rief er die Konzernspitze auf, weiterhin in Qualität zu investieren. Unter denen, die mit KaDeWe-Prosecco anstießen und sich geduldig in die lange Tortenschlange einreihten, waren etliche, die das KaDeWe schon vor dem Krieg kannten.Der 83-jährige Werner Korty und seine Frau Bruni waren auch bei der Wiedereröffnung 1950 dabei. Erst haben sie sich „die Nasen plattgedrückt“, in den Folgejahren begannen sie, sich mal ein Hemd, mal eine Bluse zu leisten, später französischen Käse und noch später Spielzeug für die Enkelkinder.

Jörg Prause war zum ersten Mal 1989, nach dem Fall der Mauer, im KaDeWe. Der 30-jährige Student ist in Prenzlauer Berg geboren. „Es war sehr imposant und zugleich erschlagend“, erinnert er sich an den ersten Eindruck. Heute geht er am liebsten in die Weinabteilung, und die Torte findet er „superlecker“. Anita Loock und ihr Mann Joachim feiern ihren 39sten Hochzeitstag bei der Party, anschließend wollen sie im 6. Stock essen.

„Wir sind schon als Jungs hier rumgestromert“, erinnert sich Jürgen Wienecke. Den 64-jährigen Berliner hat es immer hierhergezogen, wenn er „was Besonderes“ brauchte. 60 verschiedene Sorten Bier als Geburtstagsgeschenk zum Beispiel: „Das kriegte man sonst ja nirgendwo.“ Eine 67-jährige Marzahnerin erinnert sich immer noch gerührt an ihren ersten Besuch nach dem Fall der Mauer, als die Verkäuferinnen ihr erlaubten, ein Kleid anzuprobieren, obwohl klar war, dass sie es nicht würde kaufen können. Ihre Mutter hatte so oft vom KaDeWe erzählt, wie es in den 20er Jahren war. „Immer wenn wir was Schönes sehen wollten, sind wir hierhergegangen“, erinnert sich Liselotte Schubert. „Doll, wie gut diese Tortenstückchen schmecken“, fügt sie noch hinzu. „Und dass die sogar verziert sind!“ Außer Irene Gießmann waren auch noch der langjährige Leiter der Spielzeugabteilung, Jürgen Krieger, und die frühere Verkäuferin Marianne Kaltenbach als Ehrengäste dabei. Alle lobten sie besonders die gute Stimmung, die immer unter den Mitarbeitern geherrscht hat. Die muss ganz wesentlich zu dem Phänomen beigetragen haben, dass das KaDeWe nicht nur ein außerordentlich glamouröses Kaufhaus ist, sondern auch ein Ort, dem Zuneigung entgegengebracht wird von Menschen, die sich teure Sachen gar nicht leisten können.

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