zum Hauptinhalt

Berlin: Tortenschlacht: Operncafé in Mitte

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Für guten Kuchen muss man ins Operncafé! Selbst die tagesmüde Sonne macht wie jemand, der vor dem Zubettgehen noch schnell in seiner Stammkneipe vorbeiguckt, immer eine letzte Biege über die Terrasse.

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Für guten Kuchen muss man ins Operncafé! Selbst die tagesmüde Sonne macht wie jemand, der vor dem Zubettgehen noch schnell in seiner Stammkneipe vorbeiguckt, immer eine letzte Biege über die Terrasse. Deshalb kann man also wieder ins Operncafé gehen, ohne ins Operncafé gehen zu müssen, in diesen überladenen Raum, der immer etwas tantig wirkt. Man muss dann zu dieser Stunde auf die Terrasse, die aus der Zeit gefallen ist, zwischen sechs und sieben, wenn die letzten Kuchenesser gehen. Wenn die ersten Abendesser noch nicht da sind und die ersten mit ihren Bieren an den Tischen sitzen. Die Busgeschwader mit den hell karierten Bundfaltenpassagieren sind Richtung Hotel abgedreht. Idylle. Man kann jetzt sehen, dass rote und rosa Rosen langsam die offene Seite der Terrasse zuwuchern. Hier und da sitzt ein Strohhut davor.

Bis man sich am wuchtigen Kuchenbuffet zwischen den fruchtigen, den sahnigen, den schokoladigen, den cremigen und den nussigen Stücken entscheiden kann, ist die Sonne schon bald wieder weg. Die Auswahl ist so stolz wie die Preise. "Zürcher Apfeltorte" empfiehlt die Bedienung, die mit ihrem Bestellcomputer an der Kette die Aura einer Politesse umgibt. Wir folgen der Empfehlung, und die Torte ist wirklich sehr frisch und apfelig.

Ein ernsthafter Mann im Anzug setzt sich allein an den Nebentisch und bestellt einen herrlich albernen Eisbecher. Die Bedienung tippt ihre binären Codes für die Eisschokoladen in hohen Gläsern, die Eisbecher mit den glitzernden Wimpeln, die Tortenstücke für 6,10 Mark und die frühen Biere.

Nur die Spatzen, die wissen, dass es hier die besten Kuchenkrümel gibt, werden nicht registriert. "Aber ja doch, die vier Stühle sind noch frei", möchte man sagen, aber da haben sie schon Platz genommen, ungefragt, etwa 17 von ihnen, auf den Lehnen und Sitzflächen, dem Tisch und dem Kuchenteller und hacken ihre Schnäbel in den Sahnerest. Die Portion zu zwei Mark? Hm, lecker, lecker, pick, pick. Ich bin ja so froh, dass sie meine Meinung über diese herrliche Zürcher Apfeltorte teilen! Aber sie sind so beschäftigt, sie machen nicht mal "tschilp", sondern werden immer mehr und langsam werden sie unheimlich mit ihrem schweigenden Picken und ihrer bedrohlichen Vermehrung. Wenn man dann mit der Speisekarte wedelt, denken die, man wolle nur spielen. Aber wie heißt es doch so schön: lieber einen Spatz erschlagen als eine Taube braten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false