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Berlin: Totes Baby lag zwei Jahre lang in der Wohnung

Mutter gestand, ihre Tochter kurz nach der Geburt erstickt zu haben. Monteure fanden die Leiche

Erst am Donnerstag hatte die Kriminalpolizei bei Kindesmisshandlungen eine steigende Zahl von Fällen registriert. Einen Tag später wurde in Lichtenrade ein totes Baby gefunden – vor zwei Jahren getötet von der Mutter und zurückgelassen in der Wohnung. Dort fanden Monteure einer Kabelfirma gestern das Mädchen, teilweise mumifiziert. Die Polizei nahm die 26-jährige Mutter gestern Mittag in Schöneberg an ihrer Arbeitsstelle fest – in einer ersten Vernehmung gab sie an, ihr gesundes Baby schon wenige Stunden nach der Hausgeburt getötet zu haben, „aus Überforderung“ angeblich. Den genauen Tag konnte oder wollte sie nicht nennen.

Nachdem sie das Mädchen erstickt hatte, wickelte die Mutter die Leiche in Handtücher und ließ das Bündel auf dem Teppich im Wohnraum der Einzimmerwohnung zurück. Dort fanden zwei Elektriker das Kind. Die Männer wollten sich Platz zum Arbeiten an der Antennensteckdose verschaffen und hoben das Bündel an. „Eine Sekunde dachten sie, das sei eine Puppe, dann erkannten sie das abgemagerte Skelett“, sagte der Chef der Monteure gestern. Die Männer alarmierten die Polizei. Vor allem den jüngeren der beiden Monteure habe das alles stark mitgenommen, sagte der Chef.

Den Männern kam der Auftrag von Beginn an verdächtig vor. Denn an der Tür im Hochhaus an der Barnetstraße fanden sie eine Nachricht der Wohnungsbaugesellschaft: „Wegen eines Notfalls wurde Ihre Wohnung am 22. Dezember geöffnet. Die neuen Schlüssel sind bei der Hauswartsfrau abzuholen.“ Diesen Brief lasen gestern Morgen die Monteure und holten sich den Schlüssel, der sich tatsächlich noch immer bei der Hauswartsfrau befand. Damals, im Dezember, hatten sich die Nachbarn über die offenen Fenster der Wohnung beschwert. Bis zu diesem Tag soll die 26-Jährige regelmäßig in die Wohnung gekommen sein, um sich Sachen zu holen.

In den letzten beiden Jahren soll die mutmaßliche Täterin bei ihrem ehemaligen und dann bei einem neuen Freund gelebt haben. Von der Schwangerschaft sollen weder ihre Mutter noch die im Nachbarhaus wohnende Schwester etwas gemerkt haben. Wieso sie das Kind im Wohnzimmer einfach liegen ließ, sagte die Frau den Ermittlern nicht. Die Wohnung sei sauber eingerichtet gewesen, sagte der Leiter der Mordkommissionen, André Rauhut, „etwas unordentlich, aber nicht dreckig“.

Am Donnerstag hatte die Kripo eine Plakat-Aktion vorgestellt: „Geboren, gequält, gestorben“, heißt es darauf. Im ersten Halbjahr dieses Jahres waren 252 Fälle von Misshandlung angezeigt worden, 23 Prozent mehr als in den ersten sechs Monaten 2003. „Glücklicherweise hatten wir in diesem Jahr noch kein totes Kind“, hatte Inspektionsleiter Michael Havemann auf der Pressekonferenz gesagt. Das wurde 21 Stunden später gefunden – in dem Lichtenrader Hochhaus.

Nach Tagesspiegel-Informationen waren auch am Donnerstag Handwerker in dieser Wohnung. Die Bewag-Monteure sollen sich zwar über den Geruch gewundert haben, das Bündel mit der Leiche entdeckten sie an dem Tag aber nicht.

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