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"Chavez ist anwesend" steht auf dem Plakat vor der Botschaft.

© Kerstin Hense

Trauer im Botschaftsgebäude: Rote Rosen und Tränen für Hugo Chávez

Nicht nur in Venezuela, auch in Berlin trauern die Menschen um den verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez. Mehr als 500 Besucher erwiesen dem Staatschef in der venezolanischen Botschaft schon die letzte Ehre. Journalisten sind dort jedoch nicht gern gesehen.

Die Fahnen an der Botschaft der Republik Venezuela in Schöneberg hängen auf Halbmast. Draußen vor der Tür haben Unbekannte Blumen hinterlegt und ein Foto des verstorbenen Präsidenten aufgestellt. Auch in Berlin ist die Trauer um Hugo Chávez zu spüren. Etwa 1500 Menschen aus Venezuela leben in Berlin. Unter den Trauernden sind aber auch zahlreiche Deutsche, die sich mit der Person des verstorbenen Präsidenten und seiner Politik stark verbunden fühlten.

Seit gestern Nachmittag ist im ersten Obergeschoss des Botschaftsgebäudes an der Schillstraße ein Kondolenzbuch ausgelegt, in das sich jeder eintragen und einen Spruch oder eine Nachricht an den Verstorbenen hinterlassen darf. "Wenn man alles verstehen könnte, was hier eingetragen ist, könnte man eine Enzyklopädie draus machen", sagt Robert Jiménez, diplomatischer Mitarbeiter der Botschaft. Mehr als 500 Menschen, darunter Diplomaten, Repräsentanten und ganz normale Bürger, seien schon hier gewesen und hätten Chávez ein paar Zeilen zum Gedenken geschrieben.

Nicht nur in Berlin, sondern in sämtlichen Botschaften der Welt würde an den Verstorbenen gedacht. "Chávez, das sind wir alle, also Millionen Menschen auf dieser Erde. Er wird für immer in unseren Herzen sein", schwärmt Jiménez.

Dutzende Menschen kommen mit Blumen ins Foyer, manche habe die Köpfe gesenkt, halten sich an den Händen und weinen. "Ich möchte Chávez meine Dankbarkeit zeigen, weil er sich so sehr für die Armen und die Gerechtigkeit eingesetzt hat. Es ist so unendlich traurig, dass er gestorben ist, obwohl er mit seiner Arbeit noch nicht am Ende war", sagt Dan Ehle (45) aus Pankow, der gemeinsam mit seiner Freundin Inga Zoske (41) zum Trauern kam. Sie hätten keinerlei Verbindungen zu Venezuela, aber sich sehr für Chávezs Politik interessiert und sie intensiv mitverfolgt. Klar wüssten Sie, dass es auch Kritik an seiner Person gebe, die könnten sie aber keineswegs teilen. "Es ist doch klar, dass andere, die politisch in eine andere Richtung denken, ihn auch ein wenig verrückt fanden."

Ehle und Zoske sitzen auf Stühlen mit rund 30 anderen Menschen in einem großen Raum und warten darauf, sich ins Kondolenzbuch eintragen zu dürfen. Den Gästen wird Kaffee, Wasser und Gebäck gereicht. Draußen auf dem Flur hat sich eine Schlange gebildet, alle wollen in den Raum, um ihr Beileid zu bekunden. Ehle hat sich einen Songtext von dem deutschen Liedermacher Gerhard Gundermann "Es kommt der Tag" ausgesucht. "Die Zeilen passen so gut zu Chávez", sagt er.

Ein paar Plätze weiter sitzen zwei Herren im Rentenalter, sie haben ihren Blick gesenkt und halten ein Papiertaschentuch in der Hand. "Wir sind sehr gerührt und haltlos", sagt einer von ihnen. Es ist Matthias Herold aus Mitte. Der 66-Jährige hat viele Jahre in Venezuela als Journalist gearbeitet. "Ich fühle mich mit dem Land verbunden und habe viele familiäre und freundschaftliche Verbindungen aufgebaut", sagt Herold. Chávez habe in seinem Land einen Neubeginn gemacht und gezeigt, dass es auch Alternativen gebe, um Veränderungen herbeizuführen und dass auch arme Menschen ein besseres Leben bekommen können.

„Hasta la Victoria siempre!"

Wenn man bedenke, wie die Konzerne hierzulande abkassierten und immer höhere Gewinnen einfuhren, ist Chávez Politik ein Zeichen, dass es auch anders ginge. Robert Jiménez bringt einer älteren Dame einen Kaffee. Sie wischt sich eine Träne aus dem Gesicht. "Von diesem Mann können sich viele deutsche Politiker eine Scheibe abschneiden", sagt sie und reiht sich unter die Wartenden ein.

Auch die venezolanische Sängerin Carmen Zapata (40), die seit siebzehn Jahren in Berlin lebt, ist gekommen. Sie trägt ein rotes T-Shirt auf dem zwei Augen aufgedruckt sind. „Das ist Chávez' Blick“ erklärt sie und erzählt, dass es das T-Shirt der letzten Chávez-Wahlkampagne war. „Ganz Venezuela trägt nun dieses Shirt." Als sie sich vor das Kondolenzbuch setzt, bricht sie erstmal in Tränen aus. Dann schreibt sie einen  Brief an Chávez.

„Es ist eine Versprechung“, sagt sie. „Ich komme aus dem einfachen Volk und weiß, was Venezuela vor Chávez war, und was es jetzt ist. Deswegen habe ich ihm versprochen unsere Verfassung und seinen Plan für das Vaterland zu verteidigen, wenn es nötig ist, mit meinem eigenen Blut“. Zum Abschied stellt sich Carmen noch einmal vor Hugo Chávez Bild und salutiert feierlich. Es ist nicht das erste Mal, dass in den letzten Stunden ein Besucher in Tränen ausbricht, deswegen  liegen auf einem Tisch im gleichen Saal auch genügend Papiertaschentücher.

„Chávez war ein Schrei für die Freiheit für das seit 500 Jahren unterdrückte lateinamerikanische Volk“, sagt Luis Ruiz (62) aus Peru, der seit dreißig Jahren in Berlin lebt. „Chávez sind wir alle“, hört man immer wieder die Besucher flüstern.

Journalisten werden zwar freundlich empfangen,  sind aber anscheinend hier nicht so gern gesehen, ganz besonders die vom Tagesspiegel nicht. Ein Stapel der Zeitung „Junge Welt“, die Chávez Bild und die Überschrift „Chávez presente!“ auf der Titelseite trägt, liegt für die Gäste am Eingang bereit. „Die schreiben nicht nur Negatives über Chávez“, sagt ein Botschaftsmitarbeiter.

Das Kondolenzbuch wird streng geschützt. Journalisten dürfen sich zwar eintragen, aber nicht darin blättern. „Die Kondolenzen sind für seine Familie und dürfen auf keinen Fall veröffentlicht werden. Was hier drin steht, ist Privat!“, mahnt ein aufgebrachter Mitarbeiter der venezolanischen Auslandsmission. „Verlassen Sie bitte die Botschaft“, wiederholt eine weitere Angestellte mehrere Male.

Eigentlich sind aber nur die wenigsten Kondolenznachriten an Chávez Familie gerichtet sondern vielmehr an den Caudillo selbst: „Ich trage Dich in meinem Herzen“; „Vergessen verboten“,  lauten einige Einträge, oder: „Der Kampf geht weiter“; „Ich bin auch Chávez“. Und natürlich findet sich auch der berühmte Che Guevara- Spruch, „Hasta la Victoria siempre!" (Bis zum immerwährenden Sieg). Er kommt wahrscheinlich am häufigsten vor.

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