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Anteilnahme am Flughafen Tegel: Unter einem Germanwings-Schriftzug am Terminal hat sich eine spontane Gedenkstätte gebildet.

© Annette Kögel

Trauer um die Opfer von Germanwings-Flug 9525: Umgang mit dem Unfassbaren am TXL

Hetze und Innehalten an der Gedenkstätte. Wie Berliner und Besucher am Flughafen Tegel ihr Mitgefühl mit den Opfern der Absturzkatastrophe ausdrücken - und mit welchen Gefühlen sie jetzt selbst in ein Flugzeug steigen.

Rollkoffer rattern, Taxitüren schlagen. Mittendrin steht ein Mann vorm Gate 11 am Flughafen Tegel und weint. „Der Tod ordnet die Welt neu“, hat jemand auf einen Zettel geschrieben und dort ans Fenster mit der Germanwings-Werbung gehängt. „Flight Attendants don’t die, they just fly higher“ steht auf einem anderen, „from Lufthansa 4 U“ mit einem Herzen dahinter. Der Mann aus Spandau schaut auf die Kerzen, die Blumen an der Flughafen-Gedenkstätte und sagt: „Ich bin selbst wegen Depressionen frühverrentet, es ist eine Krankheit. Andere aus dem Umfeld des Kopiloten hätten früher Alarm schlagen sollen, erst recht die Ärzte. Mir tun jetzt die Eltern leid, vor deren Wohnhaus schon Medienvertreter sensationslüstern campieren.“

Es ist Osterferienbeginn, es herrscht Hochbetrieb am TXL, doch jeder reist jetzt mit Bildern der Absturzkatastrophe in Kopf und Herz. Viele Jugendliche, viele Schüler sind unterwegs. Wie ergeht es jetzt Eltern – andere haben gerade ihr Kind verloren? „Mein Sohn ist elf, hat das im Fernsehen verfolgt“, sagt Wolfram Graf, der aus Köln zum Halbmarathon kam – „ich habe ihm gesagt: Du brauchst keine Angst vorm Fliegen zu haben, so was kommt nicht täglich vor.“

In Gedanken bei den Opfern von Flug 4U9525.
In Gedanken bei den Opfern von Flug 4U9525.

© Annette Kögel

Andere Eltern haben versucht, ihr Kind nicht mit den schrecklichen Nachrichten zu konfrontieren. So ergeht die Frage an den Vater aus Rostock erst, als die Kinder, sieben und elf, außer Hörweite sind. „Ich habe bei den Nachrichten immer ausgeschaltet“, sagt er leise. Die kleine Tochter von Rikke Kuhlmann und Jens Schwarzer aus Dänemark versteht kein Englisch, da kann man im Reisetrubel ringsherum laut reden. Nein, sie hatten nicht mehr Reiseangst, aber auch sie schützen ihr Kind vor den Todesnachrichten.

"Für mich ist Angst kein Thema"

Verheimlichen, das geht bei Jugendlichen wie Sam, 15, und Amanda, 16, aus Indianapolis nicht mehr. Sie sind mit Lehrern auf Deutschland-Besuch. „Meine Mutter hat gesagt, das mit dem Schülerabsturz war ein Unfall, ich brauche keine Angst zu haben“, sagt Amanda. Sam nickt. Derweil checkt ein Fluggast bei der Lufthansa First Class ein. „Ich fliege 500 000 Meilen im Jahr, für mich ist Angst kein Thema“, sagt der Leiter eines Berliner Forschungsinstituts.

Neben Blumen und Kerzen wurden auch Botschaften an der Germanwings-Wand hinterlassen.
Neben Blumen und Kerzen wurden auch Botschaften an der Germanwings-Wand hinterlassen.

© Annette Kögel

Auch Andreas Quandt ist regelmäßig in Tegel, mindestens zweimal im Monat. Hauptberuflich ist er Mechaniker, ehrenamtlich Flughafenseelsorger. Quandt trägt ein Namensschild mit schwarzem Trauerflor. Nein, die Menschen strömten jetzt nicht auf ihn zu. Und wenn ihn Eltern fragen würden, wie damit umgehen? „Sie könnten ihr Kind beruhigen mit dem Hinweis, dass das ein Einzelfall war.“ Jetzt kommen Arne und Niels van Lier, beide 16 an, sie haben gerade die große Gedenkstätte in Düsseldorf gesehen. Ihr Onkel Marco van Lier holt sie ab. Die Jungs hatten keine Angst, ihr Onkel auch nicht, der glaubt als Ingenieur und Mathematiker an Wahrscheinlichkeitsrechnungen.

Nicht so Freunde des an Depressionen leidenden Mannes: Sie sind jetzt nicht nach Prag geflogen. Dann geht die vorsichtige Frage noch an eine vorbeieilende Mutter. „Bitte nicht, das Thema hatten wir gerade“, gibt sie mit vorgehaltener Hand zurück. Mutter und Kind fliegen nach Barcelona.

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