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Kondolenzbuch für den getöteten Mediziner Fritz von Weizsäcker in der Schlosspark-Klinik

© Catharina Ackenhausen/Schlosspark-Klinik /dpa

Update

Trauer um Fritz von Weizsäcker: „Ein passionierter Arzt und feiner Mensch“

Fritz von Weizsäcker war als Mediziner gut vernetzt. Sein Tod erschüttert Kollegen und Politiker. Es war nicht die erste Gewalttat in einer Berliner Klinik.

Nach dem tödlichen Angriff auf den bekannten Berliner Arzt Fritz von Weizsäcker trauern Mediziner und Gesundheitspolitiker in der ganzen Stadt. „Es gibt ein erhebliches Problem. Aus Gesprächen mit praktizierenden Medizinern wissen wir von viel Angst und deutlicher Aggression unter Patienten“, sagte Berlins Ärztekammerpräsident Günther Jonitz dem Tagesspiegel über den aktuellen Fall hinausgehend. „Das kann mit heftiger Konkurrenz in unserer Gesellschaft, mit fehlendem Zusammenhalt und diffusen Ängsten vor der Zukunft zusammenhängen. Vor Angriffen dieser Art aber können wir uns schlecht schützen.“ Schließlich sei der unmittelbare Umgang mit Patienten die Aufgabe eines Arztes.

Weizsäcker war am Dienstagabend in der Schlosspark-Klinik in Berlin-Charlottenburg erstochen worden. Der 59-Jährige, Chefarzt der Abteilung Innere Medizin und Gastroenterologie an der Privatklinik, hielt gerade einen öffentlichen Vortrag, als ein Mann aus dem Publikum mit einem Messer auf ihn losging. Ein 33-jähriger Polizist, der zufällig anwesend war, versuchte noch, den Mann zu stoppen, und wurde dabei selbst schwer verletzt.

Der Täter wurde von anderen Anwesenden festgehalten und von der Polizei abgeführt. Es handelt sich um einen 56-jährigen deutschen Staatsbürger, der nicht in Berlin gemeldet ist. Er ist nach Angaben der Polizei aktuell kein Patient der Klinik und war es wahrscheinlich auch in der Vergangenheit nicht. Allerdings müssen erst noch alle Archive bis 30 Jahre zurück geprüft werden.

In der Schlosspark-Klinik lag am Mittwoch ein Kondolenzbuch aus, die Krankenhausleitung teilte mit: „Unsere Gedanken sind insbesondere bei den Angehörigen und nahestehenden Kollegen von Herrn Prof. Dr. med. Fritz von Weizsäcker.“ Man bedanke sich auch beim Polizisten, der - nicht im Dienst - den Angreifer zu überwältigen versuchte: „Unser Dank für sein beherztes Eingreifen gilt ihm und wir wünschen für seine baldige Genesung alles Gute.“ Der Beamte befindet sich nicht mehr in Lebensgefahr.

Der Vorstand der Universitätsklinik Charité teilte am Morgen mit: „Die Tat geschah im Rahmen einer öffentlichen Fortbildung und damit in einer Situation, die auch in der Charité alltäglich ist.“ Die Mitarbeiter der Charité seien zutiefst erschüttert über den gewaltsamen Tod des Kollegen.

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) sagte dem Tagesspiegel: „Meine Gedanken und mein Beileid sind bei seinen Angehörigen. Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte verurteile ich aufs Äußerste. Dass Menschen, die Menschen helfen und Leben retten, so etwas passiert, erschüttert mich besonders. Ich bin froh, dass der Täter gefasst ist. Mein Dank und Respekt gilt den Teilnehmenden der Veranstaltung, die Zivilcourage gezeigt haben.“

[Fritz von Weizsäcker erstochen: Was über die Tat in der Schlosspark-Klinik bekannt ist.]

Fritz von Weizsäcker war Spezialist für Leber- und Gallenwegserkrankungen. Er saß im Vorstand des Vereins „Gesundheitsstadt Berlin“, der vom früheren Senator Ulf Fink geleitet wird. Fink kennt die Familie Weizsäcker gut: Vater Richard von Weizsäcker berief ihn in seiner Zeit als Berliner Bürgermeister 1981 zum Gesundheitssenator, der er bis 1989 blieb. Fritz von Weizsäcker begann damals gerade seine ärztliche Laufbahn und war bereits gut vernetzt. „Er hat sich im Alltag ungewöhnlich viel Mühe gegeben“, sagte Fink dem Tagesspiegel. „Und ist offen an Probleme herangegangen.“

Christian Lindner: „Ein passionierter Arzt und feiner Mensch“

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekundete ihr Beileid. „Es ist ein entsetzlicher Schlag für die Familie von Weizsäcker, und die Anteilnahme der Bundeskanzlerin, sicher auch der Mitglieder der Bundesregierung insgesamt, gehen an die Witwe, an die ganze Familie“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drückte der Mutter des Opfers, der einstigen First Lady Marianne von Weizsäcker (87), handschriftlich sein Beileid aus.

Persönlich betroffen zeigt sich der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. „Mein Freund Fritz von Weizsäcker wurde heute Abend in Berlin erstochen. Ein passionierter Arzt und feiner Mensch“, schrieb er bereits am Dienstag bei Twitter. „Neulich noch war er bei uns zuhause zum Grillen. Ich bin fassungslos und muss meine Trauer teilen. Einmal mehr fragt man sich, in welcher Welt wir leben.“

Fritz von Weizsäcker im Februar 2015 beim Staatsakt für seinen Vater im Berliner Dom.
Fritz von Weizsäcker im Februar 2015 beim Staatsakt für seinen Vater im Berliner Dom.

© imago/photothek

Beatrice von Weizsäcker, die Schwester des Opfers, teilte bei Instagram ein Bild von Jesus am Kreuz und verband damit die Bitte „Gib acht auf meinen Bruder ...“

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Der Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker würdigte seinen getöteten Cousin mit warmen Worten. „Ich fand ihn ganz wunderbar“, sagte von Weizsäcker der Deutschen Presse-Agentur. „Ich habe ihn ungewöhnlich lieb gehabt.“ Er habe keine Ahnung, was hinter dem Verbrechen stecken könnte, ergänzte Ernst Ulrich von Weizsäcker, der früher SPD-Bundestagsabgeordneter war. Noch kürzlich habe er seinen Cousin bei einer Familienfeier getroffen.

Gewerkschaft der Polizei:

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, der tödliche Messerangriff auf von Weizsäcker sei „mit Entsetzen“ zur Kenntnis genommen worden. Zu möglichen Schutzmaßnahmen für Angehörige früherer Bundespräsidenten wollte er auf Nachfrage keine Angaben machen.

Die Polizeigewerkschaft GdP teilte mit: „Die Angehörigen des Getöteten haben unser tiefstes Beileid. Dass unser Kollege versucht hat, die Tat zu verhindern, verdient allergrößten Respekt und wir sind heilfroh, dass er außer Lebensgefahr ist. Wir wünschen ihm und seiner Familie alles Gute und hoffen, dass sowohl seine schweren körperlichen als auch die seelischen Wunden schnellstmöglich und vor allem vollständig verheilen.“

Gefährliche Situationen gibt es oft, tätliche Angriffe seltener

Immer wieder sieht sich Klinikpersonal in Berlin gefährlichen Situationen ausgesetzt. Regelmäßig werden nicht nur Ärzte, sondern auch Pflegekräfte bedroht, bespuckt, seltener tätlich angegriffen. In vielen Kliniken sind nun öfter Wachdienste im Einsatz. Zuletzt prügelte sich ein Mob in und vor einem Krankenhaus in Tempelhof: 60 Polizisten und der Einsatz von Pfefferspray waren nötig, um die Lage zu beruhigen. Im März hatten Mitglieder einer Großfamilie die Notaufnahme der Spandauer Vivantes-Klinik blockiert, in die eine Milieugröße nach einer Messerstecherei eingeliefert worden war.

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Die Tat in Charlottenburg ist auch nicht der erste tödliche Angriff auf medizinisches Personal in Berlin. Im November 2018 hatte ein Patient in einer Einrichtung für psychisch Kranke in Wedding einen Pfleger erstochen – der Angreifer wohnte in der Therapieeinrichtung in der das Opfer arbeitete.

Im Januar 2018 war ein Arzt in Berlin-Marienfelde auf dem Hof vor seiner Praxis erschossen worden. Der Täter ist unbekannt, die Staatsanwaltschaft hat 10.000 Euro Belohnung ausgelobt. Im Juli 2016 hatte ein Patient des Benjamin-Franklin-Klinikums der Charité in Steglitz einen Mediziner erschossen. Bevor die Polizei die Klinik stürmte, tötete sich der Schütze selbst. Er war als Krebspatient bei dem Arzt in Behandlung. Im April 2011 hatte ein 48-jähriger Mann in einem Praxiszentrum in Kreuzberg einen Mediziner im Beisein seiner Tochter niedergestochen. Der Täter warf dem Chirurgen eine „Fehlbehandlung“ vor.

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