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Seit der Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani durch die USA gibt es auch in Berlin immer wieder Proteste.

© imago images/snapshot

Trauerfeier in Moschee: Zwischen Verehrung und Verachtung

Eine Feier zu Ehren des getöteten Generals Qassem Soleimani verdeutlicht die Konflikte zwischen hier lebenden Iranern.

Die Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani bei einem US-Drohnenangriff in der vergangener Woche beschäftigt auch in Berlin viele Iraner. Mit der Zuspitzung des Konflikts zwischen dem Iran und den USA stehen sich Befürworter und Gegner des iranischen Regimes teils unversöhnlich gegenüber. Eine sogenannte Trauerzeremonie in der Neuköllner Imam-Riza-Moschee am Donnerstag samt Gegendemonstration zeigt dies exemplarisch.

Das Gebetshaus in der Reuterstraße ist berüchtigt: Laut Sicherheitskreisen treffen sich hier auch Anhänger der vom Iran gelenkten Terrormiliz Hisbollah. Imam Tevekkül Erol verbreitet in den sozialen Netzwerken antisemitische Verschwörungstheorien wie jene, dass hinter der Terrorgruppe IS in Wahrheit die Juden steckten.

Der Imam bejubelt auch öffentlich die schiitische Miliz „Al-Haschd asch-Schabi“, deren Kämpfer kürzlich an der Stürmung der US-Botschaft in Bagdad beteiligt waren. An diesem Abend ist Tevekkül Erol zunächst nicht zu sehen.

Dafür tritt ein Anhänger der Moschee nach draußen auf die Straße, lädt die versammelte Presse ein, ihm zu folgen. Dann führt er sie in einen Innenhof und filmt systematisch alle anwesenden Journalisten ab. Anschließend wird die Presse wieder nach draußen geleitet.

Demonstranten fordern deutsche Sanktionen gegen den Iran

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite haben sich einige Dutzend Gegendemonstranten versammelt, darunter auch Exiliraner. Sie fordern, die Bundesregierung müsse mehr tun, um iranische Oppositionelle zu unterstützen – und die Sanktionen gegen das Mullahregime wieder einsetzen.

„Wer weiter auf Appeasement setzt und den regierenden Verbrechern entgegenkommt, hintergeht das iranische Volk“, sagt einer der Demonstranten. „Chamenei, Rohani, sie müssen alle weg.“

Auch müsse die Bundesrepublik konsequenter gegen Aktivitäten iranischer Geheimdienste in Deutschland vorgehen. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Exiliraner ausspioniert, dazu jüdische und proisraelische Einrichtungen.

Neben dem staatlichen Geheimdienst „Mois“ operiert auch die sogenannte Quds- Truppe, deren Chef der getötete General Soleimani war, verdeckt in Europa. „Natürlich fühle ich mich bedroht“, sagt einer der Demonstranten. „Aber die Menschen, die im Iran auf die Straße gehen, sind noch viel stärker gefährdet.“

Trumps Vorgehen könnte eine Solidarisierung mit dem Regime erzeugen

Aus der Sicht von Farhad Payar, dem Chefredakteur des „Iran Journal“, welches vom gemeinnützigen Verein Transparency for Iran betrieben wird, gibt es unter hiesigen Iranern einen harten Kern von Regimeanhängern: „Ein Teil ist grundsätzlich antiamerikanisch beziehungsweise antizionistisch eingestellt. Das ist aber eine sehr kleine Gruppe.“ Die meisten Iraner im Ausland sind jedoch selbst vor Verfolgung geflüchtet und daher regimekritisch eingestellt.

Allerdings könnte das Verhalten der US-Regierung laut Payar zu einer ungewollten Solidarisierung mit dem Regime führen. Wenn beispielsweise Donald Trump damit drohe, iranische Kultureinrichtungen zu zerstören, habe dies eine völlig neue Qualität: „Diese Strategie kennt man eigentlich von den Taliban.

Trump geht damit im Grunde genommen noch einen Schritt weiter als die Mullahs im Iran, die ihrerseits eskalieren.“ Die Mehrheit der hier lebenden Iraner sei grundsätzlich pazifistisch eingestellt und wünsche sich lediglich Frieden für die Region. „Nur eine Minderheit will um jeden Preis in ihre Heimat Iran zurückkehren und hofft aus diesem Grund auf militärische Unterstützung durch die USA“, sagt Payar.

Farhad Payar ist Chefredakteur des Magazins "Iran Journal", welches über aktuelle Entwicklungen aus dem Land berichtet
Farhad Payar ist Chefredakteur des Magazins "Iran Journal", welches über aktuelle Entwicklungen aus dem Land berichtet

© privat

Verfolgte Christen hoffen auf eine Rückkehr in ihre Heimat

Einige derjenigen, die sich nach wie vor eine Rückkehr in ihre Heimat erhoffen, treffen sich regelmäßig im Haus Gotteshilfe in Neukölln, einer Gemeinschaft innerhalb der evangelischen Kirche, um gemeinsam zu beten und die Bibel zu studieren.

Als Christen wurden sie im Iran wegen ihres Glaubens bedroht und verfolgt. Von der Gemeinde erhalten sie nun sowohl finanzielle als auch seelische Unterstützung. Da viele um die Sicherheit ihrer Familienangehörigen im Iran fürchten, wollen sie sich nur anonym zur Situation im Nahen Osten äußern.

Die Tötung Soleimanis betrachten etliche aus der Runde als positives Ereignis. „Er war ein Verbrecher und mitverantwortlich für den Tod Hunderter Demonstranten bei den Novemberprotesten im vergangenen Jahr“, sagt ein Mann mittleren Alters. Die damaligen Proteste Oppositioneller waren durch die Regierung gewaltsam niedergeschlagen worden.

Der Konflikt zwischen dem Iran und den USA sorgt für starke Emotionen

Ein anderer sagt: „Ich glaube, Trump hat es gut gemacht.“ Insgeheim hätten sich nach seiner Einschätzung viele Menschen im Iran über den US-Luftschlag gefreut, unabhängig von den Fernsehbildern mit Tausenden Trauernden. Andere glauben nicht, dass die Machtbasis des Regimes ernsthaft bedroht ist.

Eine jüngere Frau ist angesichts zahlreicher regierungsfreundlicher Demonstranten auf den Straßen Teherans geradezu zornig auf ihre Landsleute. „Die Iraner haben die Regierung, die sie verdienen. Sie lassen sich viel zu einfach von den Staatsmedien beeinflussen“, sagt sie.

Kai Gies

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