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In voller Blüte. Die ersten Frühlingsboten haben sich bereits vor dem Berliner Fernsehturm versammelt.

© dpa

Traumwetter in Berlin: Hurra, der Frühling ist da!

Endlich Frühling in Berlin – und dieses Mal richtig. Grund genug, den Lenz zu besingen und ihn in vollen Zügen auszukosten: auf der Terrasse, im Café, im Biergarten oder brav eingereiht in der Warteschlange vor der Eisdiele.

Ah, der Frühling über Berlin! Ein Phänomen. In der Literatur heißt es, der Berliner Winter dauere bis Anfang Mai und werde dann abrupt vom Sommer abgelöst; die Stadt sei ein russischer Vorposten ohne blaues Band und linde Lüfte. Unterton: Da können nur Eingeborene und Geheimagenten leben. Diese Geringschätzung hat dazu geführt, dass es kaum Liedgut über den Berliner Frühling gibt; gut, Bolle und Pfingsten, aber der hat sich die Lage ja auch nur schöngesoffen.

Zwei einschlägige Gesänge aber gibt es, seltsamerweise beide 1985 erschienen. Sie lassen zwei sehr gegensätzliche Perspektiven erkennen. Sillys „Berliner Frühling“ geht die Sache von Osten her pragmatisch an: „Tauben schlagen blaue Schneisen/In den Himmel von Berlin/Und der warme Blick der Wolllust/Läßt die Blicke geiler glüh'n“. Rainhard Fendrich, West, hat damals in eine ganz andere Richtung geblickt: „Soldaten stehen treu/Der Himmel sinkt wie Blei/und eine Fahne weht/Der Wind hat sich gedreht“, singt er in seinem „Frühling in Berlin“.

Was ist davon geblieben? Gottlob die optimistische Version von Silly. Aber das ist politische Psychologie, viel zu anstrengend, wenn die Luft warm ist, die Vögel zwitschern und die Blüten das tun, wofür wir sie an der Kasse des Gartenmarktes bezahlt haben: bunt aufbrechen. Nach der großen Irritation des Jahres 2013 zeigt die Klimakatastrophe nun zum Glück, dass sie Berlin noch nicht ganz und gar sich selbst überlassen mag: danke dafür.

Cappuccino, Biergärten und Erdbeereis

Was werden wir tun mit dem schmucken Märzen? Uns auf die Terrassen setzen natürlich, wo immer sie sich auftun. Der Heizpilz kann im Speicher bleiben, denn für die nötige Restwärme sorgen Caffé Latte und Cappuccino, und nur das noch nicht existierende Blätterdach über den Biergärten verrät den frühen Zeitpunkt. Wenn die ganz große Frühlingslust noch ausbleibt, dann sicher, weil die Wirte nicht rechtzeitig genügend Aushilfen eingestellt haben.

Egal, notfalls machen wir auf Selbstbedienung, stellen uns selbst die alte Frage, warum es keine anständige Berliner Weiße mehr gibt und reihen uns in Schlangen vor Eisdielen ein. Da das Erdbeereis noch nicht aus hiesigen Früchten stammt, nehmen wir Rhabarber – geschenkt in einer Stimmung wie dieser.

Beim gelassenen Warten könnte mal ein Talentierter ein neues Lied über den Spreefrühling komponieren. Aber falls dieser Musenkuss ausbleibt, hält das Lied von Silly mit der Wolllust ganz gut noch einige Jahrzehnte länger.

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