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Treffen der Berliner CDU: „Regieren ist Spaß, Opposition ist Mist“

Die Berliner CDU schwebt im Stimmungshoch. Am Dienstag treffen sich die Mitglieder zum ersten Mal seit der Regierungsbeteiligung im größeren Rahmen. Die Parteiführung hofft, dass es dabei nicht nur harmonisch zugeht.

Sie sind bester Laune an diesem Markttag in Westend. „Die Stimmung an der Basis ist sehr gut“, sagt Julian Taufmann, 18 Jahre alt und Mitglied bei Schüler Union und Junger Union. Er ist einer der Aktivisten, die alle vier Wochen den Stand mit dem CDU-Sonnenschirm am Wochenmarkt an der Preußenallee aufbauen – und dort seit der Regierungsbeteiligung ihrer Partei viel Zuspruch erfahren, wie Anca Specht sagt, 22, und ebenfalls bei der Jungen Union engagiert: „Es gibt in den vergangenen Monaten mehr positives Feedback als je zuvor, gerade von jüngeren Leuten“, sagt die Studentin, während sie Passanten die „City-Rundschau“ der CDU Charlottenburg-Wilmersdorf zusteckt.

Das erlebt auch Kai Wegner immer wieder, wie der Generalsekretär der Berliner CDU beim Gespräch in der Parteizentrale am Wittenbergplatz erzählt. „Unsere Mitglieder sind stolz und froh, dass die Union wieder Regierungsverantwortung für unsere Stadt hat“, sagt er. „Natürlich hätten wir uns weitere Punkte im Koalitionsvertrag gewünscht, wie die Stärkung des Religionsunterrichts.“ Aber Unzufriedenheit über das Erreichte hören Wegner und seine Kollegen dieser Tage kaum. Wenn er an der Basis der in Berlin 12 500 Mitglieder starken Union unterwegs ist, gehe es selten darum, wo man in der Koalition mit der SPD vielleicht zu wenig rausgeholt hat, sondern darum, wie sich die vereinbarten Ziele praktisch umsetzen lassen, sagt der 39-jährige Parteimanager. „Unsere Diskussionen sind nicht konflikthaft, sondern sehr konstruktiv.“

Das erhofft er sich auch für diesen Dienstag, wenn CDU-Basis und Parteiführung zum ersten Mal seit der Regierungsbeteiligung in größerem Rahmen zusammentreffen. Bei der jährlichen Mitgliederversammlung im Sony Center geht es um den demografischen Wandel, also das Älterwerden der Gesellschaft. Generalsekretär Wegner hofft, dass es heute Abend zu mehr Diskussionen kommt als zuletzt auf dem Landesparteitag, der im November den Koalitionsvertrag mit der SPD absegnete: Damals gab es keine einzige Wortmeldung, bevor alle Delegierten geschlossen zustimmten. Mancher Funktionär war damals verwundert, wie wenig Aussprachebedarf die Partei hatte. Das soll sich ändern: „Wir wollen uns noch mehr zur Diskussionspartei entwickeln“, sagt Wegner, deswegen stelle man nun als Erstes das Demografiekonzept auf der Website www.cdu-berlin-diskutiert.de zur Debatte, weitere Themen sollen folgen, so der Umgang mit neuen Medien. In diesem Zusammenhang klingt der Titel einer Filmkomödie, die die CDU heute zum Ausklang ihrer Versammlung vorführen will, wie eine programmatische Ansage: „Dinosaurier – gegen uns seht ihr alt aus!“

Während bei anderen Parteien Interessengruppen und der Nachwuchs die Parteiführung und Mandatsträger gern mit weitgehenden Forderungen unter Druck setzen, findet man bei der CDU derzeit kaum jemanden, der offiziell sagt, dass es ihm nicht schnell oder weit genug gehe. Vielleicht muss die Partei, die zehn lange Jahre in der Opposition war und sich nach harten Zeiten innerer Flügelkämpfe unter Führung von Parteichef Frank Henkel zusammengerauft hat, erst wieder lernen, dass man geschlossen auftreten und trotzdem kontrovers diskutieren kann?

"Konservative sind nicht utopisch, sondern pragmatisch"

„Zu Beginn der Regierungszeit suchen wir nicht das Haar in der Suppe, sondern unterstützen die Rolle der CDU in der Koalition als der stabile Part“, begründet der Landesvorsitzende der Jungen Union, Conrad Clemens (29), die Zurückhaltung. Zwar würde er sich wünschen, dass in der Bildungspolitik „in den kommenden Jahren stärker christdemokratische Akzente gesetzt werden“. Jetzt gehe es aber darum, sich nach zehn Jahren Opposition wieder als Regierungspartei zu profilieren: „Wir wollen zeigen, dass wir ein verlässlicher, stabiler Partner sind.“

„Konservative sind nun mal nicht utopisch, sondern pragmatisch“, sagt Albrecht Förschler, CDU-Bezirksverordneter in Charlottenburg-Wilmersdorf. Außerdem sei an der Basis die Einsicht verbreitet, dass mit dem Einzug in den Senat das politische Ziel noch nicht erreicht sei, ergänzt Andreas Statzkowski, Kreischef in Charlottenburg-Wilmersdorf und Staatssekretär in der Senatsinnenverwaltung: „Alle sind sich bewusst, dass die Arbeit jetzt erst beginnt.“

Von Postenverteilungskämpfen, wie sie die SPD derzeit erschüttern, ist die CDU momentan weit entfernt. Das führen Funktionäre vor allem auf die unumstrittene Führungsrolle von Parteichef Henkel zurück, der die Union seit 2008 geeint hat. Dass der Frieden hält, dürfte aber auch daran liegen, dass es dank des guten Wahlergebnisses und der Regierungsbeteiligung in den vergangenen Monaten so viele Mandate, Ämter und Jobs an Parteifreunde zu verteilen gab wie lange nicht.

Aus Sicht vieler CDU-Funktionäre hat auch der holprige Start von Rot-Schwarz im Dezember mit dem Sturz des Kurzzeit-Senators Michael Braun wegen der Immobilienaffäre nicht nachhaltig getrübt. Der Vize-Parteichef und CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel sagt: „Wir sind gut damit umgegangen, die Stimmung hat sich beruhigt.“ Allgemein zeige sich, wie wahr die vom früheren SPD- Chef Franz Müntefering geprägte Einschätzung auch für Berlins CDU sei, sagt Steffel: „Regieren macht eben Spaß, und Opposition ist Mist.“ Lars von Törne

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