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Berlin: Tresor-Chef unter Strom

Dimitri Hegemann macht das Kraftwerk Mitte zu einem Ort für die Kunst – und für seinen Techno-Club

Lange Ruhepausen verträgt er ebenso wenig wie kreativen Stillstand. Gut anderthalb Jahre ist es her, dass Clubbetreiber Dimitri Hegemann seinen legendären Tresor an der Leipziger Straße in Mitte schließen musste. Seither suchte er einen Ort, um den Techno-Tempel auferstehen zu lassen. Den hat er nun in dem leer stehenden Heizkraftwerk an der Köpenicker Straße 73 gefunden. Aber weil die 20 000 Quadratmeter große und 30 Meter hohe Halle allein durch einen Club nicht zu bespielen wäre, plant Hegemann Neues, Größeres: eine Kunsthalle nach Vorbild der Londoner Tate Modern Gallery.

Seit einem Besuch dort vor zwei Jahren hat Hegemann die Idee eines Berliner Pendants dazu im Kopf. Die meterhohen Wände, der raue Charme der Industriehalle und die ungeheure Kraft, die das Gebäude zu verströmen scheint – das habe ihn fasziniert, sagt der 51-Jährige. Dass er in Berlin überhaupt einen Ort dieser Art für sein Vorhaben finden würde, habe ihn überrascht. „Eigentlich suchte ich nur einen Raum für den Tresor. Als ich dann aber in dem Kraftwerk stand, waren für mich alle weiteren Fragen beantwortet.“

Bislang trägt das Großprojekt den Arbeitstitel „Modem“. Weil es als Schnittstelle zwischen analoger und digitaler Welt gedacht sei. „Ich will hier über elektronische Musik hinausgehen, hin zu den neuen Ausdrucksformen der Electronic Arts“, sagt Hegemann. Sein Ziel sei es, für kunstinteressierte Menschen einen Ort zu schaffen, der die Lücke zwischen der Nationalgalerie und dem Hamburger Bahnhof schließt. Eine neue Kunsthalle, wie sie Klaus Wowereit unlängst für Berlin gefordert hatte.

Mit dem Kraftwerk hat Hegemann dafür den idealen Raum gefunden. Erbaut wurde es in den 60er Jahren. Bis 1997 produzierte es Strom und Fernwärme. Dann wurde es stillgelegt, weil die damalige Bewag gleich nebenan eine neue Anlage hatte bauen lassen. Die Technik der alten ließ sie verschrotten. Heute lassen die verschiedenen Türschilder weniger an ein Kraftwerk als an einen skurrilen Science-Fiction-Film denken: Schaltstelle, Batterieraum, Reduzierstation.

Bei diesem eigenwilligen Charakter will es Hegemann weitestgehend belassen. „Das ist eine der letzten Industrieruinen in Mitte. Mein Auftrag ist es, diese zu erhalten.“ Die Halle mit ihren vier Ebenen will er durch unterschiedliche Illuminationskonzepte strukturieren. So sollen sich „verschiedene Parallelwelten“ entwickeln, die von den Besuchern über einen Parcours ergründet werden und in denen sie an so genannten Orten der Ruhe verweilen können, um den Raum auf sich wirken zu lassen. Der Tresor im Keller des Gebäudes wird lediglich eine dieser Parallelwelten sein, zu der man über einen separaten Eingang gelangt.

Die Einrichtungsüberreste des Techno-Urgesteins befinden sich derzeit in einem Raum im Erdgeschoss des Hauses. Auf Holzpaletten lagern die berühmten rostigen Schließfächer. Die tonnenschweren Stahltüren, durch die 14 Jahre lang rund 1,5 Millionen Technofans gelaufen sind, stehen unmittelbar daneben. Hegemann hatte sie kurz vor der Sprengung des einstigen Wertheim-Kaufhauses in der Nähe des Leipziger Platzes ausbauen lassen. Nun will er die Bauteile in einem separaten Bereich der Halle wieder aufstellen: als museales Kunstobjekt.

Zudem plant Dimitri Hegemann wechselnde Ausstellungen. Denkbar sei etwa eine Schau, wie sie Olafur Eliasson mit seinem „Weather Project“ in der Londoner Tate Modern zeigte. Dort brachte der Künstler das Innere der Industriehalle mit einer riesigen Sonne zum Leuchten. Ach ja: Bars, Cafés und Restaurants soll es im „Modem“ natürlich auch geben.

Wann das Kraftwerk eröffnet wird, steht noch nicht genau fest. Ende des Monats gastiert hier zunächst die Modemesse Bread & Butter, die ihre Aussteller bereits im Dezember zu einer ersten Begehung inklusive Probefeiern geladen hatte. Als idealer offizieller Start bietet sich der 16. März an. An diesem Tag wäre das 16-jährige Jubiläum des Tresors.

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