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Dem ehemaligen Berufssoldaten Georg Pazderski könnte eine Abwahl bevorstehen.

© Christoph Soeder/dpa

„Tritt Curio an, gewinnt er“: Der Berliner AfD droht ein Machtkampf

Landeschef Georg Pazderski gilt vielen als zu moderat. „Die Zeichen stehen auf Sturm“, heißt es aus Parteikreisen. Seine Kontrahenten laufen sich warm.

Es ist keine vier Monate her, da saßen der Berliner AfD-Landeschef Georg Pazderski und sein Brandenburger Amtskollege Andreas Kalbitz nebeneinander auf einer Couch im Dachgeschoss des Berliner Abgeordnetenhauses. Wortreich erklärten beide – Pazderski und Kalbitz sind gleichzeitig auch Vorsitzende ihrer jeweiligen Landtagsfraktionen – warum diese in Zukunft enger zusammenarbeiten wollen, „zum Wohle der Berliner und Brandenburger“.

Die vergangenen Wochen wiederum haben gezeigt, was Beobachter schon damals ahnten: Der Graben zwischen den beiden Politikern, die als maximale Gegenpole in Auseinandersetzung über den Kurs der Partei gelten, ist zu tief für eine Zusammenarbeit – selbst im Wahlkampf.

Während die Brandenburger Parteikollegen um Stimmen werben, schaut der innerhalb einer radikalisierten AfD als gemäßigt geltende Pazderski aus sicherer Entfernung zu. Sein Gegenüber Kalbitz, ein Mann mit rechtsextremer Vergangenheit und enger Nähe zum sogenannten Flügel und dessen Frontmann Björn Höcke, wird es angesichts der aktuellen Umfragewerte verschmerzen können.

Innerhalb des Berliner Landesverbands jedoch gerät der ehemalige Berufssoldat Pazderski, zugleich Vize-Sprecher der Bundespartei, zunehmend in die Defensive. Dass er kürzlich den gegen Höcke gerichteten „Appell der 100“ mit unterzeichnet hat, kam bei seinen Kritikern nicht gut an.

In der Partei mehren sich die Stimmen, die zumindest die Wiederwahl Pazderski zum Landeschef bedroht sehen. „Die Zeichen stehen auf Sturm“, sagt ein hochrangiger Vertreter der Partei. Offenkundig geworden sei das bei der vermeintlichen „Testwahl“ Anfang Mai im Rathaus Zehlendorf.

„Tritt Curio an, gewinnt er“

Damals trafen sich mehr als 300 AfD-Mitglieder zum Landesparteitag. Neben der Verabschiedung eines Leitantrags stand die Delegiertenwahl unter anderem für den Ende 2019 anstehenden Bundesparteitag auf dem Programm. Für Pazderski ging diese kräftig in die Hose.

Der Partei- und Fraktionschef landete lediglich auf dem neunten Rang – weit abgeschlagen hinter dem Erstplatzierten Gottfried Curio, Bundestagsabgeordneter und Chef des einflussreichen AfD-Bezirksverbandes Steglitz-Zehlendorf. Dass das Ergebnis der Abstimmung den Parteimitgliedern erst drei Wochen später und in alphabetischer statt nummerischer Reihenfolge mitgeteilt wurde, werten Kritiker als Zeichen fehlender Souveränität Pazderskis.

Wechselte 2017 vom Abgeordnetenhaus in den Bundestag: Gottfried Curio.
Wechselte 2017 vom Abgeordnetenhaus in den Bundestag: Gottfried Curio.

© Michael Kappeler/dpa

Insider halten es nicht für unwahrscheinlich, dass sich eben jenes Szenario im November wiederholt. Dann wählt die Berliner AfD einen neuen Landesvorstand. „Tritt Curio an, gewinnt er“, sagt nicht nur einer zu den Erfolgsaussichten des Bundespolitikers, der von Anhängern als „Rockstar“ oder auch „Held der Basis“ gefeiert wird. Curio, der 2017 vom Abgeordnetenhaus in den Bundestag wechselte, steht deutlich weiter rechts als Pazderski, sorgte mit seinen Reden und Äußerungen in der Vergangenheit immer wieder für Empörung – auch im Berliner Landesparlament.

Die offen Rechtsradikalen in der AfD drängen zunehmend nach der gesamten Macht in der Partei und bedrängen die Rechtspopulisten und diejenigen, die sich zumindest nach außen halbwegs moderat geben. Der Machtkampf im Berliner Landesverband ist hierfür nur eines von vielen Beispielen.

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„Georg Pazderski dagegen hatte zuletzt ja wenig Fortune“

Einer der wenigen aus dessen Lager, der sich dazu offen äußert, ist Volker Graffstädt. Seit Dezember 2018 ist er Stellvertreter Curios im Bezirksvorstand von Steglitz-Zehlendorf und darf als dessen Vertrauter gelten. Graffstädt erklärt: „Ich denke, dass Gottfried Curio ein guter Vorsitzender wäre, hinter dem sich der Landesverband versammeln könnte. Georg Pazderski dagegen hatte zuletzt ja wenig Fortune.“

Die fehlende Wahlkampfunterstützung für die Brandenburger AfD hätten ihm viele übel genommen, so Graffstädt. Pazderskis Stellvertreterin Jeannette Auricht, die bei der Delegiertenwahl im Mai auf Rang 2 gelandet war und ebenso wie Curio als mögliche Herausforderin gehandelt wird, opponierte offen. Am Rande einer Wahlkampf-Veranstaltung in Jüterbog ließ sich Auricht, die dem Flügel zugerechnet wird, an der Seite von Kalbitz fotografieren, das Bild landete später bei Facebook.

Pazderski wollte sich nicht äußern

Einer der Redner in Jüterbog: Gottfried Curio. „Er nimmt seine Pflicht gegenüber der Partei wahr, das kommt gut an“, kommentiert Graffstädt dessen Wahlkampfauftritte in Brandenburg und Sachsen, von denen in den kommenden Wochen noch etliche geplant sind.

Mit Blick auf die Vorstandswahl im November und die Aussichten Curios sagt er: „Mit den Ergebnissen der jüngsten Delegiertenwahlen bringt die Basis eine Stimmung zum Ausdruck, die relativ klar und eindeutig ist. Gottfried Curio wird ja geradezu gerufen und ich glaube nicht, dass er sich diesem Ruf entziehen wird.“

Die drei stellvertretenden AfD-Landesvorsitzenden Karsten Woldeit (l-r), Beatrix von Storch, Jeannette Auricht, und Georg Pazderski.
Die drei stellvertretenden AfD-Landesvorsitzenden Karsten Woldeit (l-r), Beatrix von Storch, Jeannette Auricht, und Georg Pazderski.

© Christoph Soeder/dpa

Während Pazderski-Vertraute eine vermeintliche „Wechselstimmung“ im Verband verneinten, war der Landesvorsitzende selbst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Auch seine möglichen Herausforderer reagierten nicht auf Anfragen des Tagesspiegels. Womöglich wollen die Beteiligten wenige Wochen vor den Landtagswahlen nicht noch mehr Wirbel in der zuletzt ohnehin mit sich ringenden Partei verursachen. Zumal ein genauer Termin für den entscheidenden Landesparteitag zum jetzigen Zeitpunkt nicht feststeht.

Landesparteitag am 1. September

Sicher ist: Eine Möglichkeit, auf großer Bühne die Werbetrommel für sich zu rühren, bietet sich allen Beteiligten am 1. September. Dann kommt die Berliner AfD zu ihrem zweiten Landesparteitag des Jahres zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt soll die Neuwahl des Landesschiedsgerichtes sein. Dieses hatte sich im Mai nach dem überraschenden Rücktritt seiner Mitglieder aufgelöst.

Seitdem liegen die Fälle des Landesverbandes – darunter mehrere Parteiausschlussverfahren – vor dem Bundesschiedsgericht der AfD. Unklar ist, ob tatsächlich – wie zunächst geplant – zwei Kammern gewählt werden können. Die Bewerber stehen nicht gerade Schlange. Fest steht, dass im Anschluss der „Erfolg unserer Parteifreunde in beiden Ländern gemeinsam“ gefeiert werden soll.

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