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Die Flüchtlinge fühlen sich betrogen.

© DPA

Trotz Einigungspapier: In Handschellen nach Eisenhüttenstadt

Ali Maiga dachte, sein Aufenthalt in Berlin sei gesichert. Denn er trug seinen Namen auf die Liste des Senats ein, die ihm dies garantieren sollte. Er fand sich in einem brandenburgischen Abschiebegefängnis wieder.

An den Laternen hängen noch Wahlplakate von rechtsradikalen Parteien. Sie fordern die Wähler in Brandenburg auf, gegen „Ausländerkriminalität“ und „Armutsmigration“ zu stimmen. Am Ende der langen Straße steht ein grauer, von Stacheldraht umzäunter Klotz. Das Abschiebegefängnis von Eisenhüttenstadt sei ein bizarrer Ort, sagt Ali Maiga. Er legt seine Hände flach auf den Tisch. „Warum bin ich hier?“, fragt er. Er schüttelt den Kopf.

Ihm, Ali Maiga, Flüchtling aus Mali, der sich monatelang auf dem Oranienplatz in Berlin aufhielt und nun hier – am Mittwoch dieser Woche – im Besucherraum des Gefängnisses in der Grenzstadt an der Oder zu Polen seine Geschichte erzählt, ihm, Ali Maiga hätten die Politiker in Berlin ein Aufenthaltsrecht, einen Sprachkurs und eine Arbeitserlaubnis versprochen. So sieht er das. „Warum bin ich hier?“ ist deshalb eine Frage, die Maiga oft stellt: sich selbst, seinen Gesprächspartnern und allgemein der ganzen Welt. Wie ist Ali Maiga also in dieses Abschiebegefängnis gekommen?

Am 17. September, erzählt Maiga, der gerne exakte Daten angibt, habe er einen Freund zum Flughafen begleitet. Der Freund habe viel Gepäck gehabt und so fuhren sie zu zweit mit der S-Bahn nach Schönefeld. Kurz nachdem Maiga die Koffer im Flughafengebäude ablegte, gerade dabei war, sich zu verabschieden, sprachen ihn Beamte der Bundespolizei an: „Routinekontrolle“.

„Warum bin ich hier?“ lautet immer die Frage

Ali Maiga sagt, er habe den Polizisten daraufhin seine italienischen Aufenthaltspapiere und seinen offiziellen Ausweis vom Oranienplatz ausgehändigt. Den Aufenthaltstitel bekam er nach seiner Ankunft in Italien, als er vor dem Krieg in Libyen flüchtete und für sich keine Perspektive im kriegszerstörten und von Islamisten besetzten Gao im Norden Malis sah. Den O-Platz-Ausweis bekam er, nachdem der Berliner Senat mit den Flüchtlingen über einen Abschiebestopp und einen geregelten Aufenthaltsstatus für alle Flüchtlingsaktivisten in Berlin verhandelt hatte.

Die Polizisten legten mir aber direkt Handschellen an“, erzählt Maiga. Er verschränkt zur Demonstration seine Hände hinter dem Rücken. Nach einer Nacht in Polizeigewahrsam am Flughafen wurde er ins Abschiebegefängnis von Eisenhüttenstadt geschickt, erzählt er. Seitdem spreche mit ihm niemand so richtig. „Warum bin ich hier?“, fragt er wieder.

Niemand spricht mit Ali

Ali Maiga, 22 Jahre alt, sollte abgeschoben werden.
Ali Maiga, 22 Jahre alt, sollte abgeschoben werden.

© M. Amjahid

Seine Anwältin Berenice Böhlo geht dieser Frage ebenfalls nach. Die Berliner Juristin recherchierte, dass Ali Maiga bei einem kurzen Aufenthalt im Kreis Burgenland in Sachsen-Anhalt mit einem Einreiseverbot belegt wurde. Er wurde zuvor im Rahmen der Kontingentregelung, mit der die Flüchtlinge über die Bundesländer verteilt werden, dorthin verlegt. Damals, Anfang Mai 2013, wurden seine italienischen Aufenthaltspapiere vom Landkreis nach Italien zurückgeschickt.

Ali Maiga reiste daraufhin seinen Papieren nach, blieb laut eigenen Aussagen drei Tage in Rom und kam dann nach Berlin, direkt auf den besetzten Oranienplatz. „Das war am 10. Mai 2013“, sagt Maiga. Der Kreis Burgenland konnte sich am Freitag auf Anfrage nicht zu dem Sachverhalt äußern.

Er sagt, er wusste nichts von einem Einreiseverbot

Böhlo versucht Einspruch gegen den Abschiebebescheid und eine entsprechende Klage gegen den Flüchtling aus Sachsen-Anhalt einzulegen. „Bis jetzt habe ich aber keine Reaktion erhalten“, sagt die Anwältin. Ali Maiga sprach im Rahmen der Vereinbarung mit dem Senat am 10. September bei der Berliner Ausländerbehörde vor, dort bekam er einen Termin für den 10. Oktober zugewiesen, so erzählt es Ali Maiga. Wenn er diesen nicht wahrnehme, sei das ein Grund für die Abschiebung.

Ali Maiga beteuert, nichts vom Einreiseverbot aus Sachsen-Anhalt gewusst zu haben. Niemand habe ihn darüber in Kenntnis gesetzt. Und auch wenn es so wäre, er sei doch legal in Deutschland. Er beruft sich dabei auf seine italienischen Aufenthaltspapiere, sie seien gültig, auch für Deutschland. Und er beteuert, er habe seinen Namen auf die Liste des Senats geschrieben. Die Liste, die ihm doch einen Abschiebestopp garantieren sollte. So hat er das verstanden. „Oder?“, fragt er.

Nachtrag: Nach dem Interview mit dem Tagesspiegel wurde Ali Maiga am Freitag freigelassen. Der Abschiebebescheid wurde zurückgenommen. Maiga sagt dazu: „Ich weiß nicht, warum ich frei bin“, niemand habe mit ihm gesprochen.

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