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Eltern begleiten ihre Kinder zur Kita - in Corona-Zeiten ist das auch mit Sorgen verbunden.

© picture alliance/dpa

Trotz RKI-Empfehlung für Lolli-Tests: Berliner Bildungsverwaltung lehnt Testpflicht in Kitas weiterhin ab

Das Robert-Koch-Institut empfiehlt Lolli-Tests bei Kita-Kindern, Eltern fordern eine Testpflicht. Die Bildungsverwaltung aber verweist auf den hohen Aufwand.

Trotz der hohen Inzidenzen und Forderungen nach einem besseren Schutz für Kinder vor einer Covid-19-Erkrankung will die Berliner Bildungsverwaltung von Senatorin Sandra Scheeres (SPD) auch weiterhin keine Testpflicht in Berliner Kitas einführen. Diese werde von einem „relevanten Teil der Elternschaft sowie der Einrichtungen nicht befürwortet“, teilte Sprecher Ralph Kotsch der Deutschen Presse-Agentur mit.

Kotsch verwies auf eine Einschätzung der Verwaltung auf Grundlage von Befragungen während einer Pilotstudie in 30 Kitas. In Berlin werden fast 170.000 Kinder in rund 2700 Kitas betreut. Gesundheitssenatorin Dilek Kalyci (SPD) wollte sich zu diesem Thema nicht positionieren. Ein Sprecher verwies auf die Bildungsverwaltung.

Während Tests für Schulkinder flächendeckend verpflichtend einführt wurden, setzt Berlin in Kitas auf Freiwilligkeit der Eltern. Der Landeselternausschuss Kita fordert seit Monaten eine flächendeckende Testpflicht auch für Kita-Kinder. „Wir müssen die Kinder besser schützen. Es gibt die Werkzeuge dafür und wir sollten diese auch nutzen. Testen ist das Einzige, was man tun kann“, sagt die stellvertretende Vorsitzende, Anja Kettgen-Hahn. Schließlich könnten Kinder unter zwölf Jahren noch nicht geimpft werden.

Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) empfehlen konsequente systematische serielle Testungen als eine Schutzmaßnahme vor Infektionen. Altersgerechte Testkonzepte würden von den Bundesländern insbesondere in Kitas oft nur unzureichend eingeführt, heißt es in einem Bericht (hier als PDF).

Auch bei Kindern könnten schwere Krankheitsverläufe, Todesfälle und Langzeitfolgen nach einer Covid-19-Erkrankung auftreten. Das Ausmaß der gesundheitlichen Folgen könne aber noch nicht eindeutig bewertet werden. „Solange diese wichtige Frage nicht geklärt ist, sollten Kinder der Gefahr einer Infektion nicht unnötig ausgesetzt werden“, schreiben die Experten.

Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in Berlin bei den 0- bis 4-Jährigen bei 207, bei den 5- bis 9-Jährigen bei 996,8. Laut RKI muss aber wegen der fehlenden Testpflicht bei den 0- bis 4-Jährigen von einer „größeren Untererfassung“ ausgegangen werden.

CDU: „Der Senat riskiert die Gesundheit unserer Kinder“

„Ganz bewusst riskiert der Berliner Senat die Gesundheit unserer Kinder und das freie Leben in unserer Stadt“, kritisiert der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Dirk Stettner. Die Fraktion hatte im August beantragt, Lolli-Tests in allen Kitas und Schulen einzuführen.

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Bei Lolli-Tests lutschen Kinder und Erwachsene an jeweils einem Tupfer wie bei einem Lolli. Die Tupfer kommen dann zusammen in ein Proberöhrchen, das im Labor mit der PCR-Methode untersucht wird. Ist das Ergebnis positiv, müssen die Beteiligen sich erneut testen, um herauszufinden, wer genau infiziert ist.

Kita-Leiterin: „Dann hätten wir die Klarheit, die jetzt fehlt“

Im Sommer hatte der Senat ein Pilotprojekt gestartet. Auch die Kita „Oase“ im Prenzlauer Berg war dabei. Ein Großteil der Eltern habe sich entschieden, seine Kinder auch weiterhin auf eigene Kosten testen zu lassen, berichtet Leiterin Kathrin Hinz.

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„Die Lolli-Tests sind viel zuverlässiger als die Antigen-Tests“, sagt Hinz. Die Eltern von 75 der 87 Kinder beteiligten sich demnach. Für Eltern, die die fünf Euro für zwei Tests pro Woche nicht zahlen können, wurde ein Fonds eingerichtet. Für sie und ihre Kolleginnen böten die Tests viel mehr Sicherheit, sagt Hinz. Noch besser wäre aus ihrer Sicht aber eine Testpflicht für alle. „Dann hätten wir die Klarheit, die jetzt fehlt“. Leider seien die Kita-Kinder eine Gruppe, über die überhaupt nicht gesprochen werde, bedauert Hinz.

Bildungsverwaltung: logistisch und rechtlich schwierig

Von der Bildungsverwaltung kommt keine Aussicht auf Lolli-Tests für alle: „Die bisherigen Auswertungen des Modellprojektes weisen darauf hin, dass die Einführung eines solchen Verfahrens mit erheblichen organisatorischen, logistischen und rechtlichen Anforderungen verbunden ist“, so der Sprecher. 

Laut Kathrin Hinz verlaufen die Testungen unkompliziert, Startschwierigkeiten habe es nicht gegeben und die meisten Kinder könnten den Lolli-Test selbstständig durchführen. Im RKI-Bericht werden Lolli-Pool-PCR-Tests ausdrücklich für Kitas empfohlen - genauso wie CO2-Ampeln, die anzeigen, wann ein Kita-Raum wieder gelüftet werden muss.

Awo: Testpflicht besser als Kitaschließungen

Der Landesverband der Arbeiterwohlfahrt in Brandenburg fordert ebenfalls eine Testpflicht für Kitas. Auch der Berliner Verband stehe einer Testpflicht für Kinder in der Kita grundsätzlich offen gegenüber, sagte Sprecher Markus Galle. Allerdings werde mit „erheblichen organisatorischen und logistischen Herausforderungen“ gerechnet. „Definitiv ziehen wir aber eine, wie auch immer organisierte, Testpflicht einer generellen Kitaschließung vor“, so Markus Galle.

„Es muss mindestens möglich sein, dass sich  bei einem auftretenden Infektionsfall alle testen können, bevor sie am nächsten Tag wieder in die Kita kommen. Wir appellieren daher an die Eltern, von diesem Angebot Gebrauch zu machen“, betont Dorothee Thielen, die Vorsitzende des Fachausschusses Kindertagesbetreuung der Liga Berlin und des Dachverbands der Berliner Kinder- und Schülerläden. 

Theoretisch ist das auch möglich. Berliner Kitas bekommen von der Bildungsverwaltung Antigen-Schnelltests, die pro Kind zwei Testungen pro Woche ermöglichen sollen. „Die Frage ist doch: Testen auch alle Eltern ihre Kinder, wenn es freiwillig ist und die Nasenabstrichtests nicht kindgerecht sind? Oder muss der Senat hier zum Schutz der Kinder eine Testpflicht mit Lolli-Tests einführen?“, so Anja Kettgen-Hahn. (dpa)

Anja Sokolow

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