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Berlin: Trotz Verbots: Viele Ärzte werben, wie es ihnen gefällt

Kassenärzte-Vereinigung: Die Hälfte der Praxisbetreiber hält sich nicht an die RegelnVON BERNHARD KOCH BERLIN.Die Berufsordnung verbietet Werbung, doch Tausende von Ärzten tun es trotzdem: Sie weisen auf dem Praxisschild oder in Zeitungsanzeigen auf besondere Heilangebote hin, um Patienten zu gewinnen.

Kassenärzte-Vereinigung: Die Hälfte der Praxisbetreiber hält sich nicht an die RegelnVON BERNHARD KOCH BERLIN.Die Berufsordnung verbietet Werbung, doch Tausende von Ärzten tun es trotzdem: Sie weisen auf dem Praxisschild oder in Zeitungsanzeigen auf besondere Heilangebote hin, um Patienten zu gewinnen.Wer etwa "Abklärung von Potenzstörungen" oder "Haarchirurgie" anpreist, seinen Gerätepark beschreibt oder auf "Hypnose", "Meditation" und "Farbmeridiantherapie" hinweist, handelt standeswidrig und riskiert Abmahnung und Geldbußen.Auch "Dialysezentrum", "Sehschule" oder "Kinderwunschsprechstunde" auf dem Praxisschild ist unzulässig.Die Bundesärztekammer hat die Lockerung des strikten Werbeverbots für Mai angekündigt, in Berlin werden Verstöße schon jetzt meist geduldet. Erlaubt ist es dem Doktor lediglich, seine Berufsbezeichnung (Kinderarzt, Internist, Praktischer Arzt oder Orthopäde) und zudem Zusatzqualifikationen gemäß der Weiterbildungsordnung öffentlich zu nennen.Der Hinweis auf "Naturheilverfahren" oder "ambulantes Operieren" ist also bei entsprechenden Nachweisen möglich. Wer jedoch im Branchenbuch "Gelbe Seiten" unter dem Stichwort "Ärzte und Ärztinnen" blättert, findet einen Wildwuchs von Reklame über Praxis-Spezialitäten: So bietet Augenärztin E.aus Wilmersdorf "Schielbehandlung" an, Kollege D.aus Kreuzberg ist Experte für "Contaktlinsen", und Frau N.stellt sich als Allgemeinärztin mit Schwerpunkt "Entspannungstherapie" vor.Der Allergologe K.aus Tempelhof kennt sich mit "Hämorrhoidalleiden" gut aus, Dr.P.ist Fachmann für "Schilddrüse und "Gefäße", Hautärztin K.aus Zehlendorf empfiehlt sich als "Krampfader"-Fachfrau. Gerne wird auch auf "Hausbesuche" als vermeintliche Extraleistung hingewiesen.Ob die angepriesene Leistungspalette von Psychiaterin P.aus Neukölln Kunden anlockt, dürfte zweifelhaft sein: Sie wirbt mit "EMG, evozierte Potentiale (VEB, AEP, SEP)" und "farbcodierter Duplexsonographie".Ihr Kollege R.aus Charlottenburg bietet für Laien eher verständliche "EEG-Lichttherapie bei Winterdepression".Ausgesprochen patientenfreundlich, aber ebenfalls gegen die Richtlinien, handelt eine Praxis in Tempelhof, die auf sämtliche Buslinien, Autobahnabfahrt und Parkmöglichkeiten hinweist. Rund die Hälfte aller 6000 in Berlin niedergelassenen Ärzte halte sich nicht an die restriktiven Werbeverbote, sagt der Hausjurist der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Ernst Jolitz.Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Sommer 1996, das Werbung von Apothekern auf Sportlertrikots und Flugblättern erlaubte, sei das Unrechtsbewußtsein auch unter "werbenden" Ärzten gesunken.Jolitz plädiert für ein liberaleres Informationsrecht, "solange keine übertriebenen Heilversprechungen gemacht werden". Verstöße gegen das Werbeverbot werden in der Stadt offenbar milde geahndet.In der Regel ermahne man schriftlich und drohe im Wiederholungsfall mit weiteren Sanktionen, teilte Ärztekammer-Geschäftsführer Josef Kloppenborg mit.An mögliche Strafen wie Geldbußen oder gar Berufsverbot kann sich Kloppenborg nicht erinnern.Die Kammer als Wächterin über die Berufsordnung schicke keine Kuriere aus, die Praxisschilder kontrollieren.Früher habe die Kammer etwa den Tagesspiegel-Anzeigenteil auf Werbeverstöße durchforstet - darauf werde seit Jahren verzichtet.Nur wenn sich Ärzte über Kollegen beschweren, "handeln wir".

BERNHARD KOCH

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