zum Hauptinhalt

Berlin: TU Berlin: Der Protest der Puppenhaus-Architekten

Die größtmögliche Beleidigung für einen Architekten ist es, Puppenhäuser bauen zu müssen. Kinderkram - schließlich fehlen da die Wände oder das Dach oder beides.

Die größtmögliche Beleidigung für einen Architekten ist es, Puppenhäuser bauen zu müssen. Kinderkram - schließlich fehlen da die Wände oder das Dach oder beides. Trotzdem haben sich die Architektur-Studenten des Seminars "Modellbau" an der Technischen Hochschule im vergangenen Semester genau dazu entschlossen. "Das war eine Trotzreaktion", erklärt Dozent Burkhard Lüdtke. "Wir lehren und lernen aus Geldnot unter so katastrophalen Bedingungen, dass deutsche Architekten bald nur noch Puppenhäuser werden bauen können."

Viel zu wenig Lehrende und zu viele Studenten, so fasst Lüdtke seine Situation zusammen. Von 400 Bewerbern für sein Seminar kann er 75 nehmen. Er hat nur noch einen Tutor, vor fünf Jahren waren es noch vier. Von seinem Budget, 6000 Mark für zwei Semester im Jahr, muss Lüdtke seine Maschinen pflegen lassen, sein Büro führen und Bücher anschaffen. Unterrichtsmaterial? Es reiche gerade mal für den Holzleim. Den Rest kaufen die Studenten selbst.

Lüdtke hat sich deshalb etwas ausgedacht. Die Puppenhäuser sollten gestern versteigert werden, um Geld heranzuschaffen für Materialien. Doch das war schließlich gar nicht mehr nötig. Denn schon vor dem Versteigerungs-Termin fand sich ein Sponsor, so dass die Studenten ihre 14 Puppenhäuser - von Burg und Kreuzfahrtschiff, über Bart Simpsons Haus bis hin zur Puppendisco - schließlich an 150 Berliner Kindergartenkinder verschenken durften. Der Süßwarenhersteller Storck spendete mehr als 6000 Mark, die Lüdtke im kommenden Semester für Materialien ausgeben kann. "Unfassbar, ich musste nur ein paar Mal telefonieren und schon haben die mein Budget verdoppelt", sagt Lüdtke. Von offizieller Seite sei sein Haushaltsgeld in 15 Jahren um nur fünfhundert Mark erhöht worden.

Eigentlich ist der Dozent als ehemaliger "Achtundsechziger" ein Anhänger der These, die Lehre solle unabhängig sein. "Firmenspenden waren für mich früher ein rotes Tuch. Aber heute geht es nicht mehr anders." Die Studenten stehen voll hinter dieser Idee, meinen sogar, dass man Sponsoren in großem Stil ansprechen sollte.

Kai Grollmitz, Student im sechsten Semester, träumt zum Beispiel von einem Shop mit subventionierten Bastelutensilien im Gebäude. "Manchmal muss man alle zwei Wochen ein Modell abliefern, das kostet immer so um die 120 Mark. Und die Herstellung sauberer Pläne ist auch sehr teuer." 500 Mark zusätzlich werden Grollmitz und seine Kommilitonen so manchmal zusätzlich los. Und haben neben 90 Wochenstunden an der Uni wenig Zeit zu jobben.

Was hält man im Dekanat von der Eigeninitiative des Dozenten Lüdtke? Schließlich hat sich im Foyer kein offizieller Vertreter blicken lassen. "So revolutionär ist die Idee auch nicht", sagt die Verwaltungsleiterin der Fakultät, Barbara Hoff. Schließlich habe nicht nur ein Dozent wie Burkhard Lüdtke zu wenig Haushaltsmittel. Auch der durchschnittliche Professor könne nur über 20 000 Mark im Jahr verfügen. Das reiche zwar für einen ganz schlichten Unterrichtsstil, für Schaumstoff, Pappe und Holzklötzchen, aber nicht für modernere Materialien oder die für den Studiengang notwendigen Exkursionen. Sie selbst sieht keine Möglichkeiten, den Kollegen mehr Geld zukommen zu lassen. Das Land sei pleite, von da seien keine zusätzlichen Mittel zu erwarten. "Da greifen viele entweder ins eigene Portemonnaie oder suchen sich Sponsoren."

Zustimmung von der Professorin Ingrid Götz, die gerade bei Hoff reinschaut. "Wie, denken Sie, kriege ich seit vier Jahren 80 Studenten für ein Praxisseminar nach Mexiko?" Rund 500 000 Mark hat sie bei Privatpersonen und Firmen aufgetrieben, um Indiodörfern zu helfen. Geld für Flüge, Verpflegung und Baumaterialien. "Fund-Raising ist zwar ein zweiter Fulltime-Job", beklagt sie. "Aber ohne Eigeninitiative könnte ich den Job nicht machen".

Unten sind die Kindergärtnerinnen samt kreischender Grüppchen und Puppenhäusern gerade abgezogen. Lüdtke freut sich über den neuen Sponsor Storck. Der wird nicht der letzte bleiben: Mit Lufthansa und einer Kosmetikfirma hat der 52-Jährige schon Kontakt aufgenommen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false