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Berlin: Türen zu für Shopping-Center

Senat will neue Einkauf-Malls nur noch in Ausnahmefällen genehmigen, um Geschäftsstraßen zu schützen. Ein Pro & Contra

Es sieht aus wie eine Entscheidung in einem Einzelfall, aber es ist ein genereller Schlussstrich. Mit ihrem Nein zu den Ladenflächen beim Ausbau des Estrel-Kongresszentrums an der Neuköllner Sonnenallee macht Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) klar: Neue Einkaufszentren gibt es in Berlin nur noch in den von der Verwaltung zuvor festgelegten Straßen. „Wir wollen uns die Stadt durch eine unkontrolliert wachsende Zahl an Einkaufszentren nicht kaputtmachen lassen“, sagt sie.

Durch die am Estrel geplanten Geschäfte sieht sie die Läden in der Karl-Marx-Straße in Gefahr. Die aber will sie in jedem Fall erhalten: „Ein heruntergekommenes Bezirkszentrum birgt genauso viel Sprengstoff wie Leerstand von Wohnungen“, erklärt Junge-Reyer weiter. Deshalb sei ihre Entscheidung gegen neue Läden ein Beitrag zur sozialen Stadtentwicklung. Der ungebremste Ausbau von Einkaufszentren gehört für sie nicht dazu.

In den vergangenen zehn Jahren sind nach einer Aufstellung der Stadtentwicklungsverwaltung in Berlin rund 750 000 Quadratmeter Ladenfläche in solchen überdachten Einkaufsdorados entstanden. Das entspricht einer Fläche von 21 Potsdamer-Platz-Arkaden. Die Bevölkerungszahlen stagnieren jedoch, die Kaufkraft ebenso. Fachleute fürchten, dass sich der Trend zur Kannibalisierung im Einzelhandel noch verschärft.

Umso mehr, da einige hunderttausend Quadratmeter neue Ladenfläche bereits in Bau sind, beziehungsweise durch Bebauungspläne oder städtebauliche Verträge gesichert sind. In Bau sind unter anderem die Läden im Einkaufszentrum „Alexa“ in Mitte, im neuen Hauptbahnhof und am Walther-Schreiber-Platz in Schöneberg. Fest vereinbart sind Läden auf rund 30 000 Quadratmetern rund um die Anschutz-Arena am Ostbahnhof.

Weil das so ist, können die Gegner von Junge-Reyer nicht verstehen, weshalb gerade an der Sonnenallee keine neuen Läden entstehen dürfen. Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (ebenfalls SPD) wirft seiner Parteifreundin vor, das Projekt Estrel auf dem „Altar der Ideologie“ zu opfern. Damit bringe die Senatorin das Gesamtprojekt zu Fall, was den Verlust von hunderten Arbeitsplätzen in dem schwer gebeutelten Bezirk bedeute. Die Estrel-Investoren wollen sogar Schadensersatzansprüche prüfen. „Ohne die Ladenflächen ist das Projekt tot“, sagt Bauherr Julian Streletzki. 12 500 Quadratmeter müssten es schon sein – das ist mehr als im Europa-Center.

Genau das ist es, was die Senatorin aufregt. An der Sonnenallee sollen Läden entstehen, weil die Banken zur Finanzierung des Gesamtprojekts diktieren, wie hoch der Anteil an langfristigen Mietverträgen zu sein hat. Dabei interessiere sie nicht, ob der Standort ideal ist. „Das können wir nicht zulassen“, sagt Junge-Reyer.

Sie kann es auch aus einem anderen Grund nicht zulassen. Berlin klagt gegen zwei brandenburgische Gemeinden, weil diese ihre Einkaufszentren erweitern wollen, und zwar über das Maß hinaus, was in der gemeinsamen verbindlichen Planung von Berlin und Brandenburg festgelegt ist. Die Klage hätte keine Aussicht auf Erfolg, wenn die Senatorin diese Planung nicht auch konsequent in Berlin umsetzen würde. Neue Läden an der Sonnenallee gehören nicht dazu.

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