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Berlin: Türken enttäuscht: Nach Kriegsbeginn rief Bush zuerst Israel an

GAZETELER RÜCKBLICK Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen. „Vollgas Bagdad“, titelte die Hürriyet am Sonntag zu einer Luftaufnahme des amerikanischen Militärkonvois in der irakischen Wüste.

GAZETELER RÜCKBLICK

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

„Vollgas Bagdad“, titelte die Hürriyet am Sonntag zu einer Luftaufnahme des amerikanischen Militärkonvois in der irakischen Wüste. Die Tageszeitungen Milliyet und Türkiye zeigten dagegen gestern eine Großaufnahme vom Kopf eines weinenden irakischen Kleinkindes. „Irak weint“, titelte dazu die Türkiye und in der Milliyet hieß es: „An der Front nichts Neues.“ Das ist die türkische Version des Antikriegs-Klassikers „Im Westen nichts Neues“.

Die Titelseiten der türkische Zeitungen waren anders aufgemacht, als die Zeitungen im deutschen Pressewald. So haben sie gestern auf den ersten Seiten auch ein Bild von zwei toten irakischen Soldaten gezeigt. Die beiden Männer lagen in einem Schützengraben. Einer von ihnen war wohl im Begriff, die weiße Fahne zu hissen. „Dieses Bild werden wir nie vergessen“, hieß es dazu in den Bildunterzeilen. Die Androhung der Bundesregierung, die deutschen Soldaten aus den Awacs-Flugzeugen der Nato abzuziehen, wurde auf der Titelseite dagegen nur angerissen.

Gegen Saddam und gleichzeitig auf der Seite des irakischen Volkes versuchen die Zeitungen zu sein und gehen dabei zum Teil recht ungewöhnliche Wege. Am Freitag, als wohl alle Zeitungen auf der Welt den Kriegsbeginn auf ihren Titelseiten hatten, machten die Zeitungen ein Ereignis zum Thema, dass mit Sicherheit nur in türkischen Zeitungen zu lesen war. Die Milliyet zeigte an diesem Tag eine große Aufnahme von George Bush und beklagte: „Er hat zuerst Israel angerufen, nicht Ankara.“ Dabei habe sein Vater beim ersten Golfkrieg seinerzeit zuerst die Türken kontaktiert. Auch die Hürriyet und Türkiye kritisierten, dass Ankara (Hauptstadt und Regierungssitz) erst nach Israel vom Kriegsbeginn informiert wurde.

Die Hürriyet machte an diesem Tag mit einer eigenen „Exklusivnachricht“ auf. „Das ist der Augenblick des Einschlages“, titelte die Zeitung und zeigte fast auf der gesamten Seite „das erste Bild vom Kriegsbeginn“. Ein Hürriyet-Reporter habe es geschossen. Auf seinem Bild ist eine Brücke zu sehen, an deren Fundamenten es lichterloh brennt.

Die Zeitungen beklagten sich am Sonntag zudem über die kurdische Demonstration in Frankfurt am Sonnabend anlässlich des kurdischen Neujahrfestes „Newroz“. Die verlief nach deutschen Medienberichten friedlich. „Die Demonstration ist in eine separatistische Show ausgeartet“, berichtete dagegen die Türkiye und schimpfte im Text: „Sie haben das Newroz-Fest zum Anlass genommen, um gegen den Einmarsch der türkischen Soldaten nach Nord-Irak zu protestieren.“ Die Türken sehen darin kein Unrecht.

Die kurdische Tageszeitung Özgür Politika, die nur in Europa und auf türkisch erscheint, rief schon Tage vorher in großen Anzeigen zu dieser Demonstration auf, die gleichzeitig auch in Zürich und Paris stattfanden. Am Sonnabend zeigte das Blatt auf einer ganzen Seite Bilder von den Feierlichkeiten zum Neujahrsfest aus den türkischen Städten Van, Istanbul, Batman, Izmir und „Amed“ (Diyarbakir). Die Überschrift dazu: „Der Frühling der Freiheit.“ Im Innenteil hieß es, ganz Kurdistan sei vom Feuer der Freiheit erfasst. Diese Nachricht fand in türkischen Medien in Deutschland kaum Erwähnung.

Suzan Gülfirat

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