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Berlin: Türkisch,links: Einer für die Zielgruppe Hakki Keskin gilt jetzt als Hoffnungsträger

Die Parteiführung ist recht zufrieden. „Er schlägt sich wacker“, sagt Norbert Seichter, Wahlkampfbetreuer der Linkspartei/PDS in den Westbezirken.

Die Parteiführung ist recht zufrieden. „Er schlägt sich wacker“, sagt Norbert Seichter, Wahlkampfbetreuer der Linkspartei/PDS in den Westbezirken. Vorne auf dem Podium einer Schöneberger Schulaula diskutiert Hakki Keskin (62), Hochschulprofessor, türkischer Verbandschef, 30 Jahre lang SPD-Mitglied – und jetzt einer der Hoffnungsträger der Berliner Linkspartei/PDS. Er argumentiert gegen Wehrpflicht und für doppelte Staatsbürgerschaft, gegen Studiengebühren und für höhere Steuern für Reiche.

Die Erstwähler im Saal reagieren verhalten, applaudieren Keskin hin und wieder, gucken aber skeptisch, wenn der Akademiker gestelzt formuliert. Keskin war im Juni aus der Hamburger SPD ausgetreten – wegen verkrusteter Strukturen und des neuen Kurses in der Sozialpolitik. „Was das angeht, kann ich mich voll mit dem Programm der PDS identifizieren, gerade bei der Kritik an HartzIV und der Agenda 2010“, sagt Keskin.

Trotzdem: Neben seinen lokalen Konkurrenten von CDU, SPD, FDP und Grünen wirkt Keskin unsicher, auch wegen seines noch immer hörbaren Akzents. Wahlstrategisch sei das ein Vorteil, hofft die PDS. Keskins türkische Herkunft war einer der Gründe, wieso ihn die Partei auf den aussichtsreichen Listenplatz vier hob, gleich nach den Zugpferden Gregor Gysi, Petra Pau und Gesine Lötzsch. Keskin soll für die erhoffte Westausdehnung der PDS zum 18. September Wähler ohne DDR-Biographie ansprechen, vor allem türkische Migranten, aber auch versprengte West-Berliner Linke, die bislang Berührungsängste mit der vermeintlichen Ostpartei hatten.

Und Keskin wirkt bei der türkischen Zielgruppe. Migranten seien „von Arbeitslosigkeit und Armut mehr als doppelt so stark betroffen wie die übrige Bevölkerung“, sagt Keskin. Deswegen spüre er eine stetig wachsende Zustimmung zur Linkspartei gerade in dieser Wählergruppe. Das sieht man auch auf der deutschen Internet-Seite der Tageszeitung „Hürriyet“. Dort werden die Leser gefragt, wen sie am 18. September wählen. Das Ergebnis: CDU, FDP und Grüne landen allesamt unter fünf Prozent, die SPD bei 49, die Linkspartei/PDS bei 45 Prozent. „So stark war die PDS früher bei den türkischen Migranten nie“, sagt Süleyman Selçuk, Berliner Hürriyet-Redakteur seit 23 Jahren. Der Grund? „Die türkischstämmigen Kandidaten“, sagt Selçuk. Keskin sei in der türkischen Bevölkerung sehr bekannt, nicht zuletzt weil er seit vielen Jahren Vorsitzender des Dachverbands Türkische Gemeinde Deutschland ist – ein Amt, das im Wahlkampf allerdings ruht.

Von dem Streit, mit dem Keskins Kandidatur begann, ist in diesen Tagen öffentlich nicht mehr viel zu spüren. Vom Linksaußen-Flügel der PDS und vor allem von der Wahlalternative WASG, dem künftigen Bündnispartner für die Westausdehnung, war Keskin zu große Nähe zur türkischen Regierung vorgeworfen worden, gerade bei Themen wie Kurdenunterdrückung oder Völkermord an den Armeniern. Keskin hatte das zwar stets zurückgewiesen, aber bis heute ist er in beiden Parteien nicht unumstritten.

„Wir machen den Wahlkampf für Keskin mit Bauchschmerzen“, sagt Bernd Büttner von der PDS Schöneberg-Tempelhof. Der Bezirksverband hatte sich lange dagegen gewehrt, Keskin als lokalen Kandidaten zu unterstützen, war dann aber von der Landespartei, in der die Ostbezirke den Ton angeben, per Mehrheitsentscheidung dazu verdonnert worden. Die hatte wiederum einen Wunsch der Bundespartei umgesetzt, die Keskin als strategischen Kandidaten ins Spiel gebracht hatte. „Er ist nicht unser Wunschkandidat, aber wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten erstmal hintangestellt, solange wir Wahlkampf machen“, sagt Bernd Büttner. Auch die WASG, die in Berlin die PDS im Wahlkampf unterstützt aber zugleich immer noch auf Eigenständigkeit pocht, sieht bei der Außenpolitik weiterhin „erhebliche Differenzen“ zu Keskin, sagt WASG- Sprecher Gerhard Seyfarth. „Aber bei Themen wie Sozialpolitik sind wir einer Meinung, also unterstützen wir ihn.“

Keskin selbst, der derzeit in Berlin täglich mehrere Wahlkampftermine absolviert, hält die Kontroverse um seine Person für erledigt. Die Themen Kurden oder Armenier spielten im Wahlkampf keine Rolle, sondern fast ausschließlich die aktuelle Situation in Deutschland. Auf die türkische Regierungspolitik habe ihn im Wahlkampf noch niemand angesprochen.

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