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Tunneltag: Tausende folgen Einladung in den Untergrund

Einmal zu Fuß im U-Bahn-Tunnel: Tausende folgten der Einladung der BVG in den Untergrund.

Der kurze Abstand zwischen den Gleisschwellen ist gewöhnungsbedürftig: Betrachtet man beim Laufen beispielsweise das Tonnengewölbe der Tunneldecke oder die geheimnisvollen Botschaften an den Wänden, gerät man in den Schotter, so dass es klackert. Aber stehen bleiben geht auch nicht, wenn einem 7000 Gesinnungsgenossen auf den Fersen sind, die an diesem Sonntag der Einladung der BVG zum „Tunneltag“ gefolgt sind.

Schon am Morgen standen sie in Dreierreihe von der Weidendammer Brücke bis zum Bahnhof Friedrichstraße an – manche fast zwei Stunden. Vorbei an freundlichen BVG-Warnwestenträgern ging es die Treppe hinab in den U-Bahnhof und von dort weiter in den Tunnel der seit Samstagabend gesperrten U 6. Ein einmaliges Angebot, weil die BVG den Tunnel noch am Sonntag den Bauleuten übergeben wollte, die ihn teilweise abreißen und neu bauen werden. Denn noch eine Etage tiefer soll die künftige U 5 kreuzen. Ein Umsteigebahnhof Unter den Linden ersetzt dann die jetzige Station Französische Straße, die zugleich das Ziel dieser Wanderung ist.

Im Tunnel der U6 - die Bilder

Nach einigem Schwellengehüpf beginnt ein Brettersteg zwischen den Schienen. An der Tunnelwand kommen parallele Kabel von oben in kühnem Schwung und folgen nun dem Weg der Wanderer. „Gleitstühle bitte nicht fetten!“, steht an einem Gerät, das vermutlich ein Gleitstuhl ist. Ausgerechnet an der einzigen dunklen Stelle tropft es ein wenig, aber sonst wirkt der 100 Jahre alte Tunnel intakt. Mäuse und sonstige Bewohner haben offenbar rechtzeitig die Flucht ergriffen. Hin und wieder will eine Weiche überstiegen werden – und vermittelt beim Kreuzen der blanken Schiene den wohligen Schauer des Verbotenen.

Kurz vor dem Ziel ist ein Schnittbild des neuen Kreuzungsbahnhofs auf eine Leinwand projiziert. Seine Dimensionen machen klar, warum für die Baustelle die Linden und die Friedrichstraße so großflächig ruiniert werden müssen. Der aktuelle Anblick dieser Kreuzung könnte durchaus ein Grund sein, den Weg durch den Tunnel als dauerhafte Alternative offen zu halten – als Angebot an Berliner, die der Anblick dieser mehrjährigen OP am offenen Herzen ihrer Stadt schmerzt.

An der Französischen Straße führt ein Treppchen zurück auf vertrauten Bahnsteigboden. Wen man auch fragt: Jeder ist zufrieden mit seiner Tour – was offenbar auch daran liegt, dass niemand besondere Erwartungen hegte. Einer sagt, er hätte sich den Tunnel staubiger vorgestellt, und eine Frau findet ihn erstaunlich hoch, wenn man auf den Gleisen steht statt wie sonst auf dem Bahnsteig.

In einem geparkten U-Bahn-Zug zeigt die BVG historische Fotos und aktuelle Pläne. Männer mit Stoffbeuteln diskutieren über den Schildvortrieb in nicht gelenzten Baugruben, und die Bauexperten der BVG beantworten tapfer Fragen wie das strenge „Und was passiert, wenn sich der Tunnel absenkt?“ eines Besuchers. Das Zusammentreffen von Fach- und Halbwissen ergibt viel Gesprächsbedarf.

Je älter der Tag, desto jünger wird das Publikum: Zum Mittag hin steigen der Anteil von Familien mit Kindern und die Zahl der freiwillig mitgekommenen Frauen. Die Schlange windet sich dabei sehr entspannt durch die Friedrichstraße. Die meisten stellen sich nach getaner Tour sogar noch einmal an, um sich ihren „Tunnelpass“ stempeln zu lassen. Das A4-Blatt aus hochwertigem Karton bestätigt die erfolgreiche Teilnahme. Dazu gibt’s ein Bonbon in Herzform und Einkaufsgutscheine. So hat die BVG ein Paket geschnürt, das viele dufte finden.

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