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Gibt es noch Freundschaft in der Politik? André Schmitz und Klaus Wowereit.

© dpa

Über Steuerhinterziehung und Solidarität: Wer fällt, hat keine Freunde

Unsere Kolumnistin Hatice Akyün findet, der Regierungsstil unseres Stadtoberhauptes erinnere an den von Sonnenkönig Ludwig XIV. Zum diskussionsreichen Thema Steuerhinterziehung schreibt sie über Freundschaft, Politik und Fragen des Anstands.

Ein guter Freund hat Mist gebaut. Ziemlich großen sogar. Ich gab ihm den freundschaftlichen Rat, es in Ordnung zu bringen, schnell. Er tat es. Nachdem man ihn erwischt hatte, hat er bezahlt und den Schaden wiedergutgemacht, Ende der Durchsage. Das passiert. Betrunken Fahrrad fahren, wie bei meinem Freund, dem Nachbarn am Wochenende unter der Hand die Heizung einbauen, mit der Tankkarte der Firma zahlen, die Freundin auf Geschäftsreise mitnehmen, die Karten für das Theater auf den Kunden abrechnen, das Essen mit der Geliebten als Geschäftsessen absetzen – nichts davon ist korrekt, doch es passiert tagtäglich, mit einer Dunkelziffer, die niemand abzuschätzen vermag.

Wann denkt eigentlich mal jemand an mich?

„Haben Sie eine Payback-Karte?“, wurde ich letzte Woche im Drogeriemarkt gefragt. Ich habe und will auch keine. Ich möchte nicht, dass in irgendeiner Datenbank mein Verbrauch von Hygieneartikeln nach Marke, Größe und Anzahl registriert wird. Ja, Rabatte. Geiz ist geil. Jeder denkt an sich, und nur ich denke an mich. Ich glaube, da liegt die Motivation, sich außerhalb der Regeln zu stellen. Man hat ungeachtet seiner Lebenssituation irgendwie den Gedanken, zu kurz zu kommen und sorgt dagegen vor.

Besonders peinlich wird es allerdings, wenn das Leute tun, die einen Lebensstandard haben, der ganz weit über dem Durchschnitt liegt. Gut, man kann jetzt einwenden, dass es verdienstvoll sei, dass Frau Schwarzer tatkräftig die Frauenquote für SteuerhinterzieherInnen eingeführt hat. Und sollte Klaus Wowereit André Schmitz gedeckt haben, wissen wir endlich, dass es doch Freundschaft in der Politik gibt. Aber er kann das seinem Kulturstaatssekretär nicht durchgehen lassen. Einem echten Freund hilft man dabei, sich nicht so in die Ecke drängen zu lassen.

L'État, c'est nous - nicht seine Kunden

Persönlich geht mir der sonnengottartige Regierungsstil unseres Stadtoberhauptes auch gegen den Strich. Aber alle, die jetzt aus ihren Löchern kommen und ihren Frust über die Affäre artikulieren, die haben jede Panne mitgetragen, ausgesessen oder schlichtweg ignoriert. Das sind keine Freunde, Kumpels, Mitstreiter oder Koalitionäre. Die arbeiten nicht daran, besser zu sein, sondern möglichst weit weg, wenn einer fällt. Andere klein- zumachen, macht einen selbst nicht groß. Und es ist keine Bürgernähe unserer Eliten, wenn sie das Niveau so herunterziehen, dass man als anständiger Mensch schon ein Alleinstellungsmerkmal hat.

Anscheinend gibt es in diesen Funktionsgemeinschaften niemanden, der unserem Regierenden mal deutlich sagt, dass er wieder mehr Lust an der Last aufblitzen lassen könnte. Freunde in der Politik sind nur auf Zeit.

Ein Stück liegt die Verdrossenheit aber auch an uns Bürgern. Wir sitzen der blödsinnigen Idee auf, dass wir Kunden unseres Staates seien. Dabei sind wir der Staat. Und genau deshalb sollten wir uns von den interessengelenkten Nebelkerzen nicht herunterziehen lassen. Manchmal kann man nur dadurch überzeugen, dass man selbst ein positives Beispiel gibt. Das gilt für die da oben und für uns da unten. Oder wie mein Vater sagen würde: „Düsenin dostu olmaz.“ Wer fällt, hat keine Freunde.

Hatice Akyün ist in Anatolien geboren, in Duisburg aufgewachsen und in Berlin zu Hause. An dieser Stelle schreibt sie immer montags über ihre Heimat.

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