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Im Bezirk soll die Bundeswehr nur bei Testungen, nicht bei Kontaktverfolgungen, helfen.

© Stefan Sauer/dpa

Update

Überforderte Gesundheitsämter: Bundeswehr unterstützt ab Mittwoch Friedrichshain-Kreuzberg bei Corona-Tests

Soldaten werden dafür aus Mitte nach Friedrichshain-Kreuzberg verlegt. Dort sollen sie im Testzentrum Urbanstraße und „mobil“ Corona-Abstriche nehmen.

Ab Mittwoch werden Soldaten der Bundeswehr das Gesundheitsamt des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg bei Corona-Testungen unterstützen. Das sagte die Sprecherin des Bezirks, Sara Lühmann. Im Vorfeld hatte es Diskussionen um den Einsatz der Bundeswehr bei der Pandemie-Bekämpfung gegeben. Der Bezirk hatte den Einsatz von Soldaten zuerst abgelehnt.

Die Bundeswehrsoldaten sollen das Gesundheitsamt nun „in mobilen Abstrichteams“ bei Corona-Testungen unterstützen. Sie werden ab Mittwoch im Testzentrum in der Urbanstraße sowie in Pflegeeinrichtungen, aber auch bei Hausbesuchen Abstriche nehmen, wie Lühmann sagte.

Bei den Soldaten handele es sich um medizinisches Personal des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr einerseits; diese Mitarbeiter sollen die Abstriche vornehmen. Andererseits werden Soldatinnen und Soldaten, die aus anderen Bereichen der Bundeswehr kommen, eingesetzt, um die Abstriche zu dokumentieren. Das teilte das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr in Berlin mit.

Zu dem mobilen Abstrichteam gehörten der Bundeswehr zufolge sechs Soldatinnen und Soldaten – zwei Sanitäter und vier „helfende Hände“ aus den anderen Teilstreitkräften der Bundeswehr. Der Bezirk gehe aktuell hingegen von vier Soldaten aus. „Weiteres medizinisches Personal ist ebenso herzlich willkommen, daran soll es nicht scheitern“, kommentierte Bezirkssprecherin Lühmann die Differenz.

Die Bundeswehr bestätigte dem Bezirk Amtshilfe

Der Bezirk habe vergangenen Freitag bei einer telefonischen Krisenstabssitzung beschlossen, Unterstützungsbedarf durch die Bundeswehr beim Land Berlin anzumelden, sagte Lühmann. Am Montag habe die Bundeswehr dem Gesundheitsamt Friedrichshain-Kreuzberg daraufhin bestätigt, Amtshilfe im Bezirk zu leisten.

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Damit korrigierte sie eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur, die auch der Tagesspiegel veröffentlichte. Diese hatte zuvor berichtet, der Bezirk habe keinen Antrag auf Amtshilfe bei der Bundeswehr gestellt, weshalb Einsatzkräfte aus dem bestehenden Kontingent für den Berliner Innensenat abgezogen werden müssten. „Anträge auf Amtshilfe stellt der Berliner Senat, nicht der Bezirk“, sagte Lühmann.

Dies bestätigte auch die Bundeswehr: „Der Berliner Senat hat bereits vor einiger Zeit für alle zwölf Berliner Bezirke einen Antrag auf Amtshilfe der Bundeswehr gestellt.“ Die Bezirke stellten insofern nicht selbst Amtshilfe-Anträge, sie bewerteten jedoch, ob die Amtshilfe der Bundeswehr im jeweils eigenen Bezirk notwendig sei.

Einsatzkräfte werden von Mitte nach Friedrichshain-Kreuzberg verlegt

Die Einsatzkräfte gehören dem Gesamtkontingent an, das dem Berliner Senat für die Amtshilfe der Bundeswehr zugeteilt sei, teilte das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr mit. „Es handelt sich nicht um Kontingente des Berliner Innensenats“, sagte auch ein Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres und widerspricht damit auch der vorherigen Berichterstattung.

Die Einsatzkräfte werden aus dem Bezirk Mitte nach Friedrichshain-Kreuzberg verlegt. „Die Veränderung des Einsatzortes ist Standard sowie Routine und hat keine Auswirkungen auf die Effektivität und Effizienz der Amtshilfe der Bundeswehr“, hieß es aus dem Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr.

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Bisher ist die Bundeswehr in Berlin in elf von zwölf Bezirken bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie im Einsatz – hilft dort aber bei der Kontaktnachverfolgung, und nicht bei den Testungen mit.

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) sagte bereits am Sonntag: „Wir brauchen Unterstützung bei den Testungen, da alle zivilen Stellen in Berlin komplett überfordert sind.“

Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann hatte sich bereits Anfang Oktober für den Einsatz der Bundeswehr im Bezirk ausgesprochen.
Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann hatte sich bereits Anfang Oktober für den Einsatz der Bundeswehr im Bezirk ausgesprochen.

© Christoph Soeder/dpa

Der Gesundheitsstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Knut Mildner-Spindler (Linke), sagte, dass man mit den Abstrichen nicht mehr hinterherkomme. Es sei beispielsweise eine ganze Flüchtlingsunterkunft unter Quarantäne gestellt worden, weil man nicht alle 400 Bewohner hatte testen können. Das gleiche Problem gebe es auch bei Seniorenheimen. Um solche pauschalen Verordnungen zur Quarantäne zu umgehen, solle mehr getestet werden.

Streit um Einsatz der Bundeswehr im Bezirk

Friedrichshain-Kreuzberg ist aktuell der am meisten von der Pandemie betroffene Bezirk. Die 7-Tages-Inzidenz ist dort mit 269,3 im bezirksweiten Vergleich am höchsten, in den vergangenen sieben Tagen haben sich im Bezirk 782 Personen neu mit dem Coronavirus infiziert.

Trotz der stetig steigenden Fallzahlen hatte der Bezirk Hilfen der Bundeswehr im Vorfeld abgelehnt, die Frage führte zu Diskussionen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Die Linke befürchtete bei einem Einsatz der Bundeswehr eine Vermischung ziviler und militärischer Kompetenzen und befand, Bundeswehrhilfe sei aufgrund der Erfahrungen mit dem „deutschen Militarismus“ abzulehnen.

Gesundheitsstadtrat Mildner-Spindler wollte zudem nicht, dass die Soldaten in Uniform im Einsatz sind. Bei Einsätzen in Flüchtlingsunterkünften sei der Anblick uniformierter Soldaten eine Zumutung für Menschen mit Fluchterfahrung.

Anfang Oktober hatte sich Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) dann doch für die Mithilfe der Bundeswehr ausgesprochen. Die Bezirksverordnetenversammlung hatte dies jedoch abgelehnt.

Dabei ist aber zu beachten: Die Bezirksverordnetenversammlung hat gar nicht die Entscheidungsbefugnis darüber, ob der Bezirk Hilfe von der Bundeswehr anfordern kann. Dies hätte das Bezirksamt jederzeit eigenmächtig entscheiden können. Offenbar fehlte der politische Wille von Mildner-Spindler und Herrmann, sich gegen ihre Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung zu positionieren.

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Am vergangenen Mittwoch beschlossen die Bezirksverordneten dann, „zusätzliches Personal“ für die Pandemie-Bekämpfung einzusetzen. Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr seien dabei eingeschlossen, betonte Bezirksbürgermeisterin Herrmann auf Twitter.

Der Ursprungsantrag der SPD, in dem noch vorgesehen war, Bundeswehrkräfte im Bedarfsfall einzusetzen, wurde mit einem Veto der Grünen abgeändert, das Wort „Bundeswehr“ aus dem Antrag herausgestrichen. Ein Antrag der CDU, Bundeswehrsoldaten zur Nachverfolgung von Corona-Kontakten einzusetzen, war zuvor mehrheitlich abgelehnt worden.

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