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Zwei Polizisten stehen vor dem Hotel Adlon, in dem der türkische Präsident Erdogan seinen Aufenthalt verbringt.

© dpa

Überlastete Einsatzkräfte: Erdogan-Besuch bringt Polizei ans Limit

Berlins Polizisten sind am Limit und darüber – so schildert es ihre Gewerkschaft. Und nun ist auch noch Erdogan zu Besuch.

Der Besuch des türkischen Staatspräsidenten Erdogan bringt die Berliner Polizei an die Belastungsgrenze – und wirft ein Schlaglicht auf den Personalmangel in der Behörde. Nach Angaben der Polizei sollten am Donnerstag 3500 Polizisten im Einsatz sein, am Freitag wegen der vielen Demonstrationen (siehe Grafik) sogar 4200. Dies sind mehr Polizisten als bei anderen Besuchen mit höchster Gefährdungsstufe. Bei Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu waren es 2016 zum Beispiel 2500, ebenso bei US-Präsident Barack Obama im selben Jahr. Bei diesen beiden Besuchen hatte es aber keine Demonstrationen in dem Umfang wie bei Erdogan gegeben.

Die Berliner Polizei verfügt über 16 Einsatzhundertschaften, zudem sollten die Alarmhundertschaften, besetzt mit Beamten aus den sechs örtlichen Direktionen, aktiviert werden. Zusätzlich hat Berlin 26 Hundertschaften aus anderen Bundesländern angefordert. Doch nach Angaben eines Sprechers waren am Donnerstag nur neun Hundertschaften aus sieben Bundesländern in der Hauptstadt, für Freitag sind 13 Einheiten zugesagt. Und nach dem Erdogan-Einsatz ist vor dem nächsten Großeinsatz: Am Montag beginnen die dreitägigen Feiern zum Tag der Deutschen Einheit.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte am Donnerstag, die derzeit extrem hohe Belastung führe dazu, dass „die Schutzfristen des Arbeitsrechts nicht eingehalten werden“ können. „Das, was insbesondere unsere Bereitschaftspolizei aktuell abdecken soll, ist nicht mehr normal“, sagte GdP-Landeschef Norbert Cioma. Bereits in den vergangenen Wochen hätten die Beamten weiter Überstunden angesammelt, etwa im Hambacher Forst. Die GdP spricht sogar von „mehreren Unterstützungseinsätzen, deren Sinnhaftigkeit auch auf den zweiten Blick schleierhaft bleibt“. Cioma sprach von Beamten, „die von Montag bis Montag 70 Stunden im Dienst sind“. Die Zahl der Überstunden bei den Hundertschaften ist von 2010 bis 2017 um 70 Prozent gestiegen. Vor acht Jahren hatten die Beamten in den Hundertschaften 191 800 Überstunden angesammelt, 2017 waren es schon 327 309.

Schon die bestehenden Hundertschaften sind chronisch unterbesetzt

Es müsse mehr darauf geachtet werden, „nicht wegen jedem Murks Einsatzkräfte aus der Freizeit zu holen und sie quer durch das Land zu schicken, sondern notwendige Belastungen sinnvoll zu planen. Vielmehr sollten unsere Politiker langsam auch mal zeigen, was ihnen diese Professionalität wert ist“, sagte Cioma mit Verweis auf die von der GdP geforderte Zulage von 100 Euro für alle Kolleginnen und Kollegen, die Bereitschaftsdienst leisten. Wegen der seit Jahren steigenden Zahl von Einsätzen soll Berlins Polizei eine zusätzliche Einsatzhundertschaft bekommen – doch schon die bestehenden 16 Hundertschaften sind chronisch unterbesetzt. 290 Beamte fehlen in den drei Abteilungen der Bereitschaftspolizei. Rechnerisch gibt es damit mehr als zwei der 16 Hundertschaften gar nicht. Und anstatt der bundesweit einheitlichen Stärke von etwa 120 Beamten pro Hundertschaft sind es in Berlin in der Regel nur etwa hundert. Krankheitsfälle und Urlaube mit eingerechnet, kommen die Einheiten zuweilen auf nur 60 bis 80 Beamte, wie Gewerkschafter berichten. Parallel sind die Führungsstäbe der Einheiten gewachsen. Die GdP beklagt zudem, dass die Einheiten als Personalpool missbraucht würden, Beamte in anderen Bereichen aushelfen müssten wie in der Einsatzleitzentrale.

Im Frühjahr und Herbst 2019 sollen Absolventen der Polizeiakademie in die bestehenden Einheiten der Bereitschaftspolizei geschickt werden. Durch das neue Personal soll es möglich werden, die neue Hundertschaft aufzustellen.

Die GdP und der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber sind skeptisch. Zunächst müssten die bestehenden Einheiten aufgefüllt werden. Zudem bräuchten auch die unterbesetzten Abschnitte in den Bezirken Neuzugänge, die dann fehlten.

Dort dürfte es während des Staatsbesuches noch enger werden, wenn Beamte abgezogen werden. Bereits am Donnerstag mussten die Direktionen 1 (Pankow und Reinickendorf) und 6 (Marzahn, Lichtenberg, Treptow-Köpenick) Alarmhundertschaften aufstellen. Am Freitag dürften die anderen folgen. Ausgerechnet am Freitag, zum Beginn des Wochenendes: Dann fahren die Beamten abends in den Abschnitten die meisten Einsätze.

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